Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
Vom Netzwerk:
eine Karteikarte und reichte sie mir. Er nahm noch einen Schluck Wein.
    »Danke.«
    »Das ist sein Atelier, aber er wohnt auch dort«, fügte er hinzu.
    Ich nickte und setzte mein Glas ab.
    »Ich bin dir dankbar für alles, was ich von dir erfahren habe.«
    Er hob die Flasche hoch.
    »Trinkst du noch 'nen Schluck?«
    Er zuckte mit den Schultern und leerte sein Glas. Ich erhob mich.
    »Weißt du, es ist wirklich traurig«, sagte er.
    »Was?«
    »Daß es keine Magie gibt, daß es nie eine gegeben hat und wahrscheinlich auch niemals eine geben wird.«
    »Es ist ein Jammer«, bestätigte ich.
    »Die Welt wäre entschieden interessanter.«
    »Ja.«
    Ich wandte mich zum Gehen.
    »Tu mir einen Gefallen«, sagte er.
    »Welchen?«
    »Stell beim Hinausgehen den Zeiger auf dem Schild auf drei Uhr, und laß den Türriegel wieder einschnappen.«
    »Klar.«
    Ich verließ ihn und tat, was er mir gesagt hatte. Der Himmel war inzwischen viel dunkler und der Wind etwas kälter geworden. Ich versuchte von einem Telefon an der Ecke aus Luke zu erreichen, aber er war immer noch nicht wieder eingetroffen.
    Wir waren glücklich. Es war ein herrlicher Tag gewesen. Das Wetter war phantastisch, und alles, was wir taten, war ein Erfolg. Am Abend gingen wir zu einer Party und nahmen danach in einem wirklich guten kleinen Restaurant, an dem wir zufällig vorbeikamen, ein spätes Abendessen ein. Wir blieben lange bei unseren Drinks sitzen, weil wir den Tag nicht enden lassen wollten. Dann beschlossen wir, die Glückssträhne auszudehnen, und fuhren zu einem ansonsten völlig einsamen Strand, wo wir herumsaßen, im Wasser planschten, den Mond ansahen und den Wind auf der Haut spürten. Eine geraume Weile lang. Dann tat ich etwas, sozusagen gegen mein eigenes Versprechen mir gegenüber. Doch hatte nicht auch Faust einen schönen Augenblick als Gegenwert für eine Seele erachtet?
    »Komm«, sagte ich, wobei ich mit meiner Bierdose in einen Abfalleimer zielte und nach ihrer Hand griff, »laß uns Spazierengehen!«
    »Wohin?« fragte sie, während ich sie auf die Füße hochzog.
    »Ins Märchenland«, antwortete ich. »In das sagenhafte Reich von ehedem. Eden. Komm!«
    Lachend ließ sie sich von mir am Strand entlangführen, zu einer Stelle, wo er schmaler wurde, eingeengt von hohen Dämmen. Der Mond war üppig und gelb, das Meer sang mein Lieblingslied.
    Wir spazierten Hand in Hand an dem steilen Ufer entlang, wo uns eine scharfe Biegung aus dem Sichtbereich unseres kleinen Sandstrandes brachte. Ich hielt Ausschau nach der Höhle, die bald auftauchen müßte, hoch und schmal...
    »Eine Höhle!« verkündete ich kurze Zeit später. »Laß uns hineingehen.«
    »Da drinnen ist es bestimmt dunkel.«
    »Und wenn schon«, sagte ich, und wir traten ein.
    Das Licht des Mondes folgte uns etwa sechs Schritte lang. Doch bis dahin hatte ich die Abbiegung nach links ausgemacht.
    »In diese Richtung!« gab ich an.
    »Es ist dunkel!«
    »Klar. Halt dich einfach noch ein bißchen an mir fest. Es ist alles in Ordnung.«
    Fünfzehn oder zwanzig Schritte weiter, und da war eine schwache Beleuchtung zur Rechten. Ich führte sie um diese Biegung, und der Weg wurde heller, je weiter wir gingen.
    »Vielleicht verlaufen wir uns«, wandte sie leise ein.
    »Ich verlaufe mich nicht«, erwiderte ich.
    Es wurde immer heller. Der Weg führte wieder um eine Kurve, und wir legten diese letzte Strecke zurück, um am Fuß eines Berges mit Blick auf einen niedrigen Wald herauszukommen; die Morgensonne stand hoch über den Bäumen.
    Sie fröstelte, ihre blauen Augen waren weit aufgerissen.
    »Es ist Tag!« bemerkte sie.
    »Tempus fugit«, antwortete ich. »Komm weiter!«
    Wir spazierten eine Weile durch den Wald, lauschten den Vögeln und dem Wind, die dunkelhaarige Julia und ich, und nach einiger Zeit führte ich sie durch eine Schlucht aus farbigen Felsen und Gras, neben einem Bach, der in einen Fluß mündete.
    Wir folgten dem Fluß, bis wir unvermittelt zu einer Klippe kamen, von wo er in eine gewaltige Tiefe stürzte und Regenbogen und Nebelfetzen bildete. Wie wir so dastanden und über das breite Tal unter uns blickten, erspähten wir durch den Morgen und den Dunst eine Stadt mit Türmen und Kuppeln, Gold und Kristall.
    »Wo... sind wir?« fragte sie.
    »Nur um die Ecke«, sagte ich. »Komm!«
    Ich führte sie nach links, dann einen Pfad entlang, der uns wieder zur Front der Klippe brachte, um schließlich hinter dem Wasserfall vorbeizugehen. Schatten und Diamantperlen... ein

Weitere Kostenlose Bücher