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Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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»Obwohl ich unterdessen selbst Ihre Sprache erlernt hatte. Dann wollte Flora, daß ihre Bibliothek wiedererrichtet werden sollte - keine leichte Aufgabe - und daß eine alte Flamme von ihr ausfindig gemacht werden sollte - ob zur Wiedervereinigung oder damit sie sich rächen konnte, habe ich nie erfahren. Sie bezahlte mich jedoch in Gold. Damit habe ich das Anwesen in Palm Beach gekauft. Dann - ach je! Eine Zeitlang trug ich mich mit dem Gedanken, meiner Geschäftskarte die Bezeichnung >Ratgeber des Hofes von Amber< hinzuzufügen. Aber diese Art von Arbeit war begreifbar. Ich beschäftige mich ständig mit ähnlichen Dingen auf weltlicher Ebene. Ihr Anliegen jedoch hat einen Hauch von Schwarzer Magie und Stichkampf an sich, der Ihren Vater zu verfolgen schien. Davor fürchte ich mich entsetzlich, und ich wüßte nicht einmal, wie ich Sie beraten sollte.«
    »Nun, überlassen Sie den Schwarze-Magie-und-Stichkampf-Teil mir, das ist mein Gebiet«, entgegnete ich. »Tatsächlich färbt er womöglich mein Denken zu sehr. Sie werden die Dinge unweigerlich anders sehen als ich. Ein toter Winkel ist per definitionem etwas, dessen man nicht gewahr wird. Was könnte mir also entgangen sein?«
    Er nippte an seinem Bier und zündete seine Pfeife wieder an.
    »Also gut«, sagte er. »Ihr Freund Luke - woher stammt er?«
    »Irgendwo aus dem Mittelwesten. Ich glaube, er sprach einmal von Nebraska, Iowa, Ohio - irgendwo von dort.«
    »Mm-hm. Welchen Beruf hatte sein Vater?«
    »Das hat er nie erwähnt.«
    »Hat er irgendwelche Geschwister?«
    »Ich weiß nicht. Er hat nie etwas darüber erzählt.«
    »Kommt Ihnen das nicht auch irgendwie seltsam vor - daß er während der ganzen acht Jahre, die Sie ihn kannten, niemals seine Familie erwähnte oder über seine Heimatstadt sprach?«
    »Nein. Schließlich habe ich selbst auch nicht über solche Dinge gesprochen.«
    »Das ist nicht normal, Merle. Sie sind an einem fremdartigen Ort aufgewachsen, über den Sie nicht sprechen konnten. Sie hatten allen Grund, diesem Thema auszuweichen. Bei ihm war es offensichtlich ebenso. Und außerdem, damals, als Sie hierherkamen, wußten Sie nicht einmal genau, wie sich die meisten Leute hier benahmen. Aber haben Sie sich niemals über Luke Gedanken gemacht?«
    »Natürlich. Aber er respektierte meine Zurückhaltung. Also konnte ich mich ihm gegenüber nicht anders verhalten. Man könnte sagen, es herrschte eine Art stillschweigendes Übereinkommen zwischen uns, daß solche Dinge tabu waren.«
    »Wie haben Sie ihn kennengelernt?«
    »Wir begannen gemeinsam unser Studium und besuchten vielfach dieselben Vorlesungen.«
    »Und Sie beide waren fremd in der Stadt, hatten keine anderen Freunde. Sie schlossen sich von Anfang an einander an...«
    »Nein. Wir sprachen kaum miteinander. Ich hielt ihn für ein arrogantes Arschloch, das sich einbildete, zehnmal besser zu sein als alle anderen um ihn herum. Ich mochte ihn nicht, und er mochte mich ebensowenig.«
    »Warum mochte er Sie nicht?«
    »Er dachte das gleiche über mich wie ich über ihn.«
    »Dann erkannten Sie beide also erst ganz allmählich, daß jeder von Ihnen sich getäuscht hatte?«
    »Nein. Keiner von uns hatte sich getäuscht. Wir lernten uns dadurch kennen, daß jeder sich vor dem anderen aufspielte und versuchte, ihn zu übertreffen. Wenn ich etwas - sagen wir mal - Herausragendes tat, dann versuchte er, noch eins draufzusetzen. Und umgekehrt. Wir waren so besessen davon, daß wir uns in denselben Sportarten übten, mit denselben Mädchen auszugehen versuchten, den anderen hinsichtlich der Leistungen am College ausstechen wollten.«
    »Und?«
    »Irgendwann im Lauf der Zeit fingen wir an, einander zu achten, schätze ich. Als wir beide olympische Reife erreicht hatten, war das Eis gebrochen. Wir fingen an, uns auf den Rücken zu schlagen, wir lachten miteinander, wir gingen zusammen aus und zum Essen und saßen die ganze Nacht beisammen und redeten, und er sagte, die Olympischen Spiele interessierten ihn einen Scheißdreck, und ich sagte, mir gehe es nicht anders. Er sagte, er habe mir nur zeigen wollen, daß er der Bessere sei, und jetzt sei ihm das egal. Er sei zu dem Schluß gekommen, daß wir beide sehr gut seien, und damit wollte er es auf sich beruhen lassen. Ich empfand genau dasselbe und sagte ihm das. Daraufhin wurden wir Freunde.«
    »Das verstehe ich«, warf Bill ein. »Das ist eine besondere Art der Freundschaft. Sie sind Freunde in bestimmten Bereichen.«
    Ich lachte und trank einen

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