Amber-Zyklus 09 - Ritter der Schatten: der Titel

nachdem er Luke in Arden unter den Augen zweier Heere in den Hintern getreten hatte. Er führte gegen Amber häßliche Dinge im Schilde, doch fehlte ihm die militärische Schlagkraft, um mehr als gelegentliche guerillaartige Störmanöver durchzuführen. Und dann war da noch Geistrad, mein kybernetischer Trumpfhändler und mechanischer Halbgott der unteren Spielklasse, der sich von der Unüberlegtheit und Verrücktheit zur Vernunft und Paranoia entwickelt hatte - und ich hatte nicht die geringste Ahnung, wohin er sich von dort aus entwickeln würde, aber immerhin zeigte er ein gewisses Maß an Achtung eines Sohnes gegenüber seinem Erzeuger, vermischt mit gelegentlich auftretender Feigheit.
    Das war bisher so ziemlich alles gewesen.
    Aber die neuesten Manifestationen schienen Zeugnis dafür zu sein, daß an diesem Spiel noch etwas anderes beteiligt war, das mich in eine ganz andere Richtung wegzuzerren versuchte. Ich hatte Geists Aussage, daß es sich um etwas Starkes handelte. Ich hatte jedoch keine Vorstellung, wen oder was es repräsentieren mochte. Und ich hatte keine Lust, ihm zu vertrauen. Das war die Basis für eine recht eigenartige Beziehung.
    »He, Junge!« klang eine vertraute Stimme vom Fuß des Hangs herauf. »Du bist nicht leicht zu finden. Du bleibst nie lange an einem Ort.«
    Ich drehte mich schnell um, machte ein paar Schritte nach vorn, blickte nach unten.
    Eine einsame Gestalt hastete den Hang herauf. Ein großer Mann. Etwas blitzte in der Nähe seiner Kehle. Es war zu dunkel, als daß sein Gesicht zu erkennen war.
    Ich trat ein paar Schritte zurück und setzte zu der Zauberformel an, die meinen aufgeriebenen Abwehrbann wiederherstellen würde.
    »He! Lauf nicht weg!« rief er. »Ich muß mit dir reden.«
    Der Abwehrbann nahm seine Stellung ein, und ich zog die Klinge und hielt sie mit gesenkter Spitze an meiner rechten Seite, damit sie vom Höhleneingang nicht zu sehen war, wenn ich den Körper etwas drehte. Außerdem befahl ich Frakir, ebenfalls unsichtbar an meiner linken Hand zu hängen. Die zweite Erscheinung war stärker als die erste gewesen, da sie meinen Abwehrbann überwunden hatte. Wenn sich die dritte als noch stärker erweisen sollte, dann mußte ich alle Kräfte einsetzen, die ich aufzubieten hatte.
    »Ja?« rief ich. »Wer bist du, und was willst du?«
    »Verdammt!« hörte ich das Wesen sagen. »Ich bin niemand Besonderes. Einfach nur dein Vater. Ich brauche ein bißchen Hilfe, und ich möchte, daß die Dinge in der Familie bleiben.«
    Ich muß zugeben, daß es sich, als er in die Reichweite des Feuerscheins kam, um eine sehr gute Nachahmung des Prinzen Corwin von Amber, meines Vaters, handelte, originalgetreu ausgestattet mit schwarzem Umhang, Stiefeln, Hose, grauem Hemd, silbernen Beschlägen und ebensolcher Gürtelschnalle -und sogar mit einer silbernen Rose -, und seine Züge waren zu dem gleichen gerissenen Lächeln verzogen, das der echte Corwin manchmal gezeigt hatte, wenn er mir seine Geschichten erzählte, vor langer, langer Zeit... Bei dem Anblick hatte ich das Gefühl, als ob meine Eingeweide ausgewrungen würden. Ich hätte ihn gern besser kennengelernt, aber er war verschwunden, und es war mir nicht gelungen, ihn wiederzufinden. Nun hatte sich dieses Ding - was immer es sein mochte - ausgerechnet diese Personifizierung ausgesucht... Ich war ziemlich verstört durch diesen geschickten Versuch, meine Gefühle zu beeinflussen.
    »Die erste Fälschung war Dworkin«, sagte ich, »und die zweite war Oberon. Du kletterst den gesamten Stammbaum hinunter, wie?«
    Er blinzelte und neigte fragend den Kopf, während er sich mir näherte - eine weitere wirklichkeitsnahe Verhaltensweise.
    »Ich weiß nicht, wovon du redest, Merlin«, entgegnete er. »Ich...«
    Dann geriet das Ding in den Bereich, der unter dem Abwehrbann stand, und es zuckte zusammen, als ob es einen heißen Draht berührt hätte.
    »Verdammte Scheiße!« entfuhr es ihm. »Du traust wohl überhaupt niemandem, was?«
    »Das ist eine alte Familientradition«, antwortete ich, »die durch neueste Erfahrung bestätigt wurde.«
    Ich war jedoch überrascht, daß die Berührung keine weiteren pyrotechnischen Folgen gehabt hatte. Außerdem fragte ich mich, warum die Verwandlung des Dings in eine Laubsägearbeit noch nicht eingesetzt hatte.
    Mit einem weiteren Fluch schlug es seinen Umhang nach links und warf ihn sich um den Arm; seine rechte Hand fuhr hinüber zu einer ausgezeichneten Nachbildung der Schwertscheide meines