Amber-Zyklus 09 - Ritter der Schatten: der Titel
vorstellen«, sagte ich. »Aber leider sage ich die Wahrheit.«
In diesem Moment hörte ich eine weitere vertraute Stimme, irgendwo zu meiner Linken.
»Es war noch zu früh, als daß wir über solche Dinge hätten reden können«, sagte sie, »aber ich mißgönne ihr deine Zuneigung.«
Als ich den Kopf wandte, sah ich, daß die nächste Gestalt, ebenfalls mit dem Gesicht nach innen, Coral war; ihr rechtes Auge war von einer schwarzen Klappe verdeckt, und auch sie hielt ein Messer in der Hand. Dann bemerkte ich, was sie in der linken Hand hielt, und ich warf einen Blick zurück zu Julia. Ja, sie beide hielten sowohl Messer als auch Gabeln in den Händen.
»Et tu«, sagte ich.
»Ich habe dir doch gesagt, daß ich kein Englisch spreche«, antwortete Coral.
»Et mal zwei«, erwiderte Julia und hob ihre Utensilien hoch. »Wer sagt, ich hätte keinen Humor?«
Sie spuckten sich an mir vorbei an, und ein Teil der Spucke schaffte die Entfernung nicht ganz.
Mir kam der Gedanke, daß Luke die Angelegenheit vielleicht bereinigt hätte, indem er beiden auf der Stelle einen Heiratsantrag gemacht hätte. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, daß das bei mir nicht klappen würde, also ließ ich es sein.
»Dies ist eine Objektivierung einer Eheneurose«, sagte ich. »Es handelt sich um ein projektives Erlebnis, einen lebhaften Traum. Es ist...«
Julia ließ sich auf ein Knie nieder, und ihre rechte Hand zuckte nach unten. Ich spürte, wie mir die Klinge in den linken Schenkel drang.
Mein Schrei wurde unterbrochen, als mir Coral ihre Gabel in die rechte Schulter stieß.
»Das ist lächerlich!« schrie ich, während die anderen Utensilien in ihren Händen aufblitzten und ich einen erneuten Schmerz verspürte.
Dann drehte sich die Gestalt in der Sternenecke neben meinem rechten Fuß langsam, anmutig um. Sie war in einen dunkelbraunen Umhang mit einer gelben Bordüre gehüllt, den die vor ihr verschränkten Arme auf Augenhöhe zusammenhielten.
»Hört auf, ihr Mistviecher!« befahl sie; dabei warf sie das Kleidungsstück weit auf und ähnelte nichts so sehr wie einem Trauerfalter. Natürlich war das Dara, meine Mutter.
Julia und Coral hatten ihre Gabeln bereits zum Mund geführt und kauten. Neben Julias Lippe bildete sich ein kleines Blutrinnsal. Der Umhang floß weiterhin von den Fingerspitzen meiner Mutter nach außen, als ob er lebendig wäre, als ob er ein Teil von ihr wäre. Seine Flügel verbargen Julia und Coral vollständig vor meinen Augen und fielen auf sie herab, während sie die Arme immer weiter ausbreitete und die beiden einhüllte, bis sie nur noch körpergroße Klumpen am Boden waren, wo sie immer kleiner wurden, bis das Kleidungsstück einfach ganz natürlich dahing und sie aus ihren Sternspitzen verschwunden waren.
Dann ertönte ein langsames, leises Klatschen, gefolgt von einem heiseren Lachen zu meiner Linken.
»Eine ausgesprochen gekonnt ausgeführte Exekution«, erklang die schmerzlich vertraute Stimme. »Aber du mochtest ihn immer schon am liebsten.«
»Lieber«, berichtigte sie.
»Macht der arme Despil bei dem Rennen nicht einmal mit?« fragte Jurt.
»Du bist gemein«, wies sie ihn zurecht.
»Du mochtest diesen verrückten Prinz von Amber sogar mehr als unseren Vater, der ein anständiger Mann war«, erwiderte er. »Deshalb war Merlin schon immer dein Liebling, nicht wahr?«
»Das stimmt einfach nicht, Jurt, und das weißt du ganz genau«, sagte sie.
Er lachte wieder.
»Wir haben ihn herbeigerufen, weil wir alle ihn wollen«, sagte er, »allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Aber letztendlich laufen alle unsere Wünsche auf dasselbe hinaus, ist es nicht so?«
Ich hörte das Heulen und drehte den Kopf gerade noch rechtzeitig um, damit ich sah, wie sein Gesicht sich zu einer Wolfsfratze veränderte, mit hängenden Lefzen und in die Luft schlagenden Krallen, während er auf alle viere niederfiel und auf meine linke Schulter einhieb, um sich eine blutige Kostprobe meiner Person zu verschaffen.
»Aufhören!« schrie sie. »Du kleines Ungeheuer!«
Er warf die Schnauze zurück und heulte, und seiner Kehle entrang sich ein Schrei wie der eines Kojoten, einem wahnsinnigen Gelächter ähnlich.
Ein schwarzer Stiefel traf seine Schulter, warf ihn nach hinten und schleuderte ihn mit Gepolter gegen den noch nicht eingestürzten Wandabschnitt hinter ihm, der daraufhin prompt über ihm zusammenbrach. Er gab noch ein kurzes Wimmern von sich, bevor er vollständig unter dem herabbröckelnden
Weitere Kostenlose Bücher