Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
Vom Netzwerk:
ich.
    »Die Hälfte unseres arbeitenden Kapitals geht in die Bronx. Der Landankauf wurde letzten Monat perfekt gemacht. Und im letzten Quartal gingen unsere Gewinne gegenüber dem Vorjahr um fünfundsiebzig Prozent zurück. Es ist Wahnsinn. Sein Wahnsinn. Und die Armee zieht dabei mit. Springt, wenn er mit dem Finger zeigt. Die können das vierzig Jahre so durchhalten. Aber wir? Baubeginn Ende der Saison. Ende der Bauarbeiten, wenn das Geld weg ist. Bevor ich es habe, bei dieser Rate.«
    Wir steuerten die Seventh Avenue hinunter und erreichten die Freizone Times Square bei der 43. Straße. Als wir auf unserer freigehaltenen Fahrspur durch die Sperre glitten, sah ich Armeejungen die Wand mit Eisblumen aus NATO-Stacheldraht überziehen. Über der Durchfahrt stand in Schablonenschrift die Botschaft:
     
    DIE SCHULDIGEN WERDEN BESTRAFT.
     
    Times Square war Manhattans einzige Freizone, sie war nicht groß. Auf Drycos Anregung hin hatte die Armee den Quadranten ausgespart, aber die Stadtpolizei patrouillierte regelmäßig in Gruppen von sechs Beamten. Hier konnten die Leute ihre Leidenschaften in harmlosen Aufregungen verausgaben, Emotionen freisetzen, die andernfalls angestaut blieben, bis jene, die gegen Staatsinteressen handelten und begierig waren, solche Energien für ihre eigenen Ziele einzuspannen, zu glänzenderen und aufsehenerregenderen Methoden der Freisetzung anregten. Jeden Tag, jede Nacht ließ die Armee nach dem Rotationsprinzip Tausende für jeweils zwei Stunden ein, in denen sie umherschlendern, die Zeit totschlagen, im Schimmer der Neonreklamen scherzen und die riesenhaften Videomonitore anglotzen konnten, die von den Gebäudefassaden hingen. Die Straßen der Zone waren zu allen Zeiten naß; die einzige Möglichkeit, die Straßen für den nächsten Besucherschub freizumachen, bestand darin, daß die Armee Wasserwerfer einsetzte.
    1A-Fahrzeuge, welche die Freizone passierten, blieben unbehelligt. Auf Zuwiderhandlung stand die Todesstrafe, und um sicher zu gehen, bildeten Armeejungen, die Arme eingehakt, Absperrketten.
    »Aber das Kapital ist nicht angetastet«, sagte ich.
    »Noch nicht.«
    »Und unsere Reinvestitionen …«
    »Den Gerüchten wachsen Flügel, und sie flattern herum. Hinweise mehren sich. Ich vermutete, und wie immer habe ich recht. Die Immobilienwerte in Manhattan fallen jetzt, ebenso in Miami und Atlantic City, in New Orleans und Sydney und Leningrad. An allen Küsten, dank seinen ausgestreuten Meldungen. Die Armee möchte von Manhattan auf höheres Gelände umlenken, die Hälfte zur Bronx und den Rest nach Übersee. Behauptet, es habe keinen Sinn, zu schützen, was keinen Bestand haben wird. Kapitalanlagen ruiniert und endgültig erledigt. Meine Kapitalanlagen.«
    Wir fuhren in die Sekundärzone Herald Square und arbeiteten uns im Schrittempo durch die Menge, die auf Einlaß zum Times Square wartete. Dann kamen wir hinaus in den Verkehr und glitten an dahinschnaufenden städtischen Bussen vorbei, an deren graffitibedeckten Seiten blinde Passagiere wie Spinnen klebten. Zwei fielen herab, als wir überholten; ein Taxi scherte aus, um sie zur Strecke zu bringen. An der 38. Straße hatten ungeduldige Zeitgenossen drei Taxis und einen Lieferwagen angezündet; die Täter – ich vermutete, daß sie es waren – lagen zugedeckt auf der Straße, als sollten sie vor dem Sonnenlicht geschützt werden, umringt von Jungen der Heimatarmee. Eine andere Limousine, ein alter Lenin, segelte vorbei und stutzte ein paar Tunichtgute an der Ecke 36. Straße; sie wirbelten und flatterten durcheinander wie fallende Blätter. Um dem Irrsinn der 34. Straße zu entgehen, bogen wir nach Westen in die 35., als Begleitmusik das pochende Ba-ba-da-da von ›Teddy Bear‹ im Ohr.
    »Wir können das Bauland neu festlegen …«
    »Die Zwischenzeit ist es, die uns den Garaus machen wird«, sagte Mister Dryden. »Seine Idee der Reinvestition deckt nur die Bronx ab. Er will ausländische Märkte abstoßen, um wieder flüssig zu werden. Alles unterwirft er seiner Furcht.«
    »Sie meinen, vor dem Grün? Es ist noch nicht mal bewiesen …«
    »In seinem Denken ist es bewiesen. Er kann nicht sagen, warum es regnet, aber er buchstabiert die Zukunft des Wetters. Fleischgewordener Alptraum. Wir werden draufgehen.«
    »Sie meinen, das glaubt er wirklich?«
    »Ich glaubte es«, sagte Mister Dryden mit gedämpfter Stimme. »Aber mir kommt ein neuer Gedanke.«
    Wir fuhren südwärts auf die West Street-Schnellstraße und passierten

Weitere Kostenlose Bücher