Ambient 03 - Ambient
Platzen. Der Mann überreichte Mister Dryden die Übertragungsurkunde; sie verbeugten sich. Er kniete vor Mister Dryden nieder, das Kinn auf der Brust, und strich sich das Haar aus dem Nacken. Mister Dryden nickte. Jake, der Hauptbüroaufseher, kam heran und zog sein langes Samuraischwert aus der Scheide. Jake, ein wahrer Meister, war zuständig für die delikateren Aspekte der Firmenetikette; er trug immer einen makellosen weißen Anzug.
Er fuhr mit uns hinunter; er und Mister Dryden plauderten unterwegs über König Dagoberts neueste Edikte in Frankreich, und wie Dryco sich am besten mit ihnen arrangieren könnte, sei es auf legale oder außerlegale Weise. Wir gingen zur Plaza. Mister Dryden verabschiedete sich von Lope und blinzelte ihm zu. Lope sah bleich aus, und nicht nur ein wenig mißtrauisch. Jake ging hinüber, um die neueste Trophäe an einen der Fahnenmasten zu hängen, als ob sie ein Christbaumschmuck wäre. Einige der älteren Trophäen waren nur noch Knochenschädel; bald würde man sie entfernen und zu Pralinenschalen, Schmuckkästen und anderen nützlichen Kunstgegenständen verarbeiten.
Avalon stieg in den Wagen; Mister Dryden legte ihr die Hand auf die Schulter.
»Nach vorn«, sagte er und winkte mir mit gekrümmtem Zeigefinger. »OM nach hinten. Wir müssen reden.«
Als ich neben Mister Dryden in den Fond stieg, explodierte Lopes Limousine drüben in der 50. Wir konnten nur zusehen. Mister Dryden sah hinaus zu dem qualmenden Wrack und lehnte sich zurück.
»Man kann nicht vorsichtig genug sein«, murmelte er lächelnd. »Stadtmitte, Jimmy. Bank.«
Wir fuhren die Fifth entlang, vorbei an der Buchhandlung. Flammen leckten wie Feuerlilien aus den Ruinen.
3
»E INEN S PRUNG IN DER S CHÜSSEL , und ohne Wenn und Aber. Es geht rasch bergab mit ihm«, vertraute Mister Dryden mir an, nachdem er die Trennscheibe zwischen den Vordersitzen und dem Wagenfond geschlossen hatte und den Wasserhahn seiner Bar aufgedreht hatte, damit das Geräusch rinnenden Wassers unser unzulässiges Gespräch übertöne. Durch die Trennscheibe sah ich Avalon ihre Konferenzausrüstung ablegen. Sie setzte nur eine andere Perücke auf, meine Lieblingsperücke, hellbraun, mit auberginenfarbenen Glanzlichtern. Das Haar fiel ihr in Ringellocken bis zur Taille; es war, als säße Lady Godiva auf dem Vordersitz und rauchte Weisheitskraut aus Jimmys Tonpfeife.
»Er ist immer exzentrisch gewesen«, sagte ich.
»Exzentrisch ist, wer sich exzentrisch benimmt«, sagte Mister Dryden und schluckte vier Pillen trocken hinunter. »Er ist inzwischen weit hinüber.« Er bot mir ein paar Tabletten an; ich lehnte ab, froh und zufrieden, daß ich alle Arten von Polypharmaka mied.
»Vielleicht scheint es nur so.«
»Er ist in die Phase permanenten Gehirnverfalls eingetreten. Nein, OM. Die Zeit des Handelns ist gekommen.«
Wenn er mit mir allein sprach, verzichtete Mister Dryden oft auf den Telegrammstil der Geschäftssprache, die ihm durch Übung so natürlich über die Lippen ging; bei mir ging es ihm nicht um Verdunkelung, wie bei so vielen anderen.
»Große oder kleine Aktion?«
»Die Größte«, stieß er hustend hervor. Eine der winzigen Pillen flog ihm halb aufgelöst aus der Kehle und blieb an der Rückenlehne des Vordersitzes haften. Ich klopfte ihm auf den Rücken.
»Besser?« fragte ich; er nickte. Wir fuhren westwärts, die 47. entlang. Leere Ladenfronten säumten die Straßen; riesige Büros blockierten die Avenuen. Mit der Zeit hatte die stetige Abwanderung kleinerer Geschäftsleute aus dem inneren Stadtbereich – zerrieben zwischen immerfort steigenden Mieten, sinkenden Umsätzen und allgegenwärtiger Furcht – die Straßen veröden lassen. Sogar in den am dichtesten bevölkerten Gebäuden – auch solchen, die Dryco gehörten – standen ganze Stockwerke leer und ohne Licht- und Wasseranschlüsse, die Fenster versiegelt und mit geblümten Vorhängen getarnt. Es gab jetzt Raum genug, obwohl im mittleren Stadtbereich wie in den meisten Teilen Manhattans seit zwei Jahren keine neuen Bürohäuser entstanden waren. O contrare: wer sich noch im Besitz kleinerer Gebäude befand, zündete sie nicht selten an, damit die Ruinen in städtischen Besitz übergingen.
»Ich habe ihn in letzter Zeit selten gesehen«, sagte ich, »aber die letzten paar Male wirkte er auf mich nicht sehr verändert.«
»Er zeigt gutes Benehmen, wenn er an die Öffentlichkeit geht«, sagte Mister Dryden und nahm wieder ein paar Pillen, um der
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