Ambient 03 - Ambient
daß ich während unserer Abenteuer alles aus meinen Muskeln herausgeholt hatte. Auch die Knochen fühlten sich restlos zerschlagen an.
»In unserer casa weiltest du letzten Abend?« fragte Enid. »In unserem Zimmer?«
»Ja.«
»Weich gebettet, die Zeit zu vertändeln mit Liebeswonnen?« sagte sie. »Haben wir dann verloren, was die Gottheit uns lieh, es zu bewahren?«
»Die Vernunft, meinst du?« fragte ich.
»Ganz außer sich war er, so meine ich, die Perle aus der Muschel zu erbeuten«, sagte Margot. »Für viel Jungfernschaft wird Rechenschaft er geben am Tage der Posaunen.«
»Und wann es Zeit zum Retirieren, hält er sich an der Väter Brauch. Stets wartet in der Hand Erleichterung süßer Kuß«, sagte Enid.
»Nicht ehender als zerronnen die Hoffnung, daß die Pfoten ihm feinere Kost zu greifen vermöchten.«
»Hast du mich vermißt?« fragte ich Margot.
»Ich dich gemisset? So herzerfreut war ich, daß alle Wolken goldenhell erstrahlten.«
»Verstehst du sie?« fragte mich Avalon.
»Gewiß«, sagte ich.
»Warum redet ihr so?« wandte sie sich an die beiden.
»Unsere Rede setzt schwache Geister in Verlegenheit«, sagte Margot. »Durch sie wählen wir, wessen Ohr uns genehm ist.«
Avalon blickte zu Enid und der auf ihren Schultern dahinschwankenden Margot. »Sind diese Nägel nicht schmerzhaft?«
»Für jene, so sich darauf setzen«, sagte Enid.
»Wie zweimal tot und durch den Dreck gezogen«, sagte Margot, nachdem sie Avalon kritisch beäugt hatte. »Worin hat er dich eingezwungen?«
»Wie bitte?«
»Dir nach windigen Promessen beigewohnt?«
»Was?«
Margot lachte. »Neue Hauben für altes Kopfweh.«
»Mit der Zeit wirst du darauf kommen«, sagte ich Avalon.
Enid leuchtete in einen dunklen Stollen, der rechts abzweigte. »Hier lang. Durch die dunkle dunkle Tiefe.«
»Das sieht erfreulich aus«, sagte ich; unsere Lichtkegel stachen in die Tiefe des Stollens. Er schien nicht mehr als ein grob ausgehauener Gang zu sein. Die abgeschlagenen Wände waren fleckig von Salpeterausblühungen und Spinnweben; Pilzkolonien belebten die Einförmigkeit des Gesteins. »Wohin führt er?«
»Mir nach«, sagte sie. »Wir haben dies allen Zwecken angepaßt.«
»Wird der Stollen oft begangen?« fragte Avalon mich.
»Oft genug«, antwortete Margot. »Solch ein Bummel macht dir Schiß, Liebchen?«
»Dich hatte ich nicht gefragt«, sagte Avalon.
»Kribbelt dir die welke Haut?« fuhr Margot fort, so provokationsfreudig wie Enid vermittlungsbereit war. »Packt dich ein Grausen ob der traufenden Wände, des Schlammes, der zwischen den Zehen kleibt?«
»Es gibt keinen Grund, so verdammt gehässig zu sein!« rief Avalon.
»Keinen Grund, aber viel Verlangen.«
»Still jetzt!« sagte Enid, stehenbleibend. »Wozu der guten Luft mit bösartigen Reden verderben? Zuviel ist beiden vorlängst widerfahren. Nun still und weiter!«
Aber wir waren noch nicht viel weiter, als Avalon wieder das Wort ergriff und sich zu Margot wandte:
»Was ist überhaupt dein Problem? Du benimmst dich, als ob alle gegen dich wären.«
Margot lachte; hätte ich sie nicht so lange gekannt, wäre mir das im Dunkel widerhallende Geräusch Ursache zu tiefstem Entsetzen gewesen. Die rauhe Schärfe ihrer Heiterkeit schnitt durch Mark und Bein.
»Wären?« sagte sie, als sie sich beruhigt hatte. »Sind. So war es, so ist es, so wird es immer sein.«
»Was bringt dich auf den Gedanken, jemand würde es der Mühe wert finden?«
Margot wandte langsam den Kopf, um Avalon im Auge zu behalten, als wir dahinstapften.
Mit der Hellsichtigkeit, die unter geborenen Ambienten so verbreitet ist, hatte sie die Furcht unter Avalons Widerwillen erkannt.
»Unsere Art gibt selbstgerechtem Sinn zu denken«, sagte sie. »Seht uns und merkt, was unter schicklicher Gestalt verborgen, unter blauen Augen und blondem Haar. Kein Obdach verleiht uns Bestand. Unser Feuer wählt eigene Bahn, und unsere Glut macht die Blinden sehen, die Tauben hören, die Ahnungslosen wissen, die Unerschrockenen zittern und zagen.«
»Ich wußte nicht mal, was Ambienten sind«, sagte Avalon.
»Einstmals hörte niemand, und niemand achtete unser«, erwiderte Margot. »Unsere Rufe aber machten die Luft erzittern, schon als wir unser Mütter Leib verließen. Als ihre Ärzte unser gewahrten und erbleichend niedersanken, verwünschten wir, was ungewollt wir erreichten. Die Obrigkeit schnalzte und wiegte sorgenvoll das Haupt und überließ uns allzu willig den Pillendrehern und
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