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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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dunstig wäre, um das Licht ungehindert strahlen zu lassen. Selbst diese Wände waren mit Graffiti bekritzelt, die Buchstaben verblaßt und grau. Außer dem langsamen Rauschen des Wassers um unsere Beine blieben die einzigen Geräusche das Zirpen von Ratten und ein gelegentliches Zischen, hinter dem ich – Romantiker, der ich bin – mir Alligatoren vorstellte. Die Ratten in den alten Abzugskanälen waren erschreckender als jeder Alligator; ekelhafte Scheusale von einem guten halben Meter Länge, die auf den gemauerten Laufgängen trippelten und schwankten und mit uns stromabwärts schwammen, als warteten sie darauf, daß wir untergingen. Sie kamen nicht zu nahe; ich vermute, daß Enid und Margot sie abschreckten.
    »Wie weit ist es noch, Enid?« fragte ich, nachdem eine Ewigkeit vergangen war. Ich fühlte mich dem Zusammenbruch nahe.
    »Hier hinunter und rechts. Dann auf, auf, auf!«
    Wir gelangten zu einer weiteren Leiter; Enid stellte Margot auf die Sprossen und schaltete ihr Licht aus. Aufblickend, konnte ich sehen, daß über diesem Ausgang kein Deckel war; diffuses Licht drang von oben herein. Wir kletterten aufwärts, erreichten den Ausstieg und krochen hinaus. Ich sah mich um; meine Augen paßten sich noch der aufgehellten Dunkelheit an.
    »Wo sind wir jetzt?« fragte ich.
    »Nahe dem Flußufer«, sagte Enid.
    Wir standen auf einer Kreuzung, in der Mitte eines alten Wohnbauprojekts. Mondschein schien dem Nebel um uns ein bleiches Licht mitzuteilen. Auf allen Seiten erhoben sich hohe Gebäude, schwarze Hülsen mit unscharfen Rändern, als hätten sie sich getarnt. In meiner Jugend hatten noch Leute in diesen Häusern gelebt, aber vor der Ebbe war ein Gerichtsurteil ergangen, daß der Staat kein gesetzliches Recht habe, jemand mit Wohnraum zu versehen, denn die Bereitstellung von Wohnraum für Teile der Bevölkerung sei eine Ungerechtigkeit gegenüber denen, die ihn nicht benötigten. Alle wurden hinausgeworfen und der Gleichheit der Straße überlassen.
    »Enid«, sagte ich, als wir die Straße hinunterschlappten; bei jedem Schritt spritzte stinkendes Schmutzwasser aus unseren Schuhen.
    »Das Gebäude in der Mitte. Unseres.«
    »Was dann?«
    »Hinauf.«
    Der Nebel verdichtete sich, als wir uns dem Fluß näherten. Die massigen Gebäude standen zusammengedrängt, wie um sich gegenseitig Schutz zu geben. Die staubigen Höfe, die einst diese Blocks umgeben hatten, waren zu Dickichten aus Sträuchern, Stauden und langem Gras geworden. Die Wurzeln abgestorbener Bäume hatten den Asphalt der Gehsteige aufgeworfen, und über uns verschränkten sich ihre Äste; zwischen ihren spinnenhaft emporgereckten Armen wanderten die Lichter von Hubschraubern, die hoch über uns flogen. Ich befürchtete nicht mehr, daß wir verfolgt wurden. Vom anderen Ufer drang das gedämpfte Krachen ferner Granateinschläge herüber.
    »Du kennst diesen Teil der Stadt?« fragte Avalon.
    »Ich bin seit Jahren nicht hier unten gewesen.«
    »Es ist entsetzlich.«
    »Friedlich«, sagte ich.
    »Was für Geräusche sind das?«
    »Explosionen«, sagte ich. »In Brooklyn. Auf der anderen Seite.«
    »Nein. Ich meine dieses andere Geräusch. Was, zum Teufel, ist es?«
    Ich lauschte wieder, angestrengter als zuvor. Da war ein anderes Geräusch, tief und gleichmäßig. Im East River gab es nicht genug Brandung, um solche Brecher zu erzeugen, nicht einmal bei Flut. Das Geräusch war rhythmisch, und gewollt.
    »Trommeln«, erklärte Enid. »Lange Rohre, auf die geschlagen wird. Brooklyn hat Sendezeit, wendet sich an alle, die in Hörweite sind.«
    Es gab Trampelpfade durch das Dickicht, die zu den Türmen führten, und einen solchen gingen wir entlang. Ungesehene Tiere raschelten zu beiden Seiten. Nachdem wir den alten Parkplatz überquert hatten, erreichten wir bald den Eingang des mittleren Hochhauses. Die Türen waren längst verschwunden, nichts behinderte den Zugang. Die Eingangshalle machte deutlich, daß die Gebäude seit Jahren unbewohnt und vernachlässigt waren – keinerlei Einrichtung war geblieben, Mörtelschutt bedeckte den Boden stellenweise meterhoch, die Wände waren überzogen mit einer unentzifferbaren Mischung von Aufschriften. Wir gingen nicht einmal in die Nähe der Aufzugschächte, hielten statt dessen auf die Treppe zu. Dann stiegen wir, noch immer im Schein unserer Lampen, zehn Stockwerke hinauf.
    »Hier«, sagte Enid, als wir den mondbeschienenen Treppenabsatz erreichten. »Hier entlang.«
    Enid trat die Tür der für uns

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