Ambient 03 - Ambient
locken.«
»Es tut mir leid«, sagte ich, bemüht, sie zu beruhigen; Avalon umschlang mich so fest mit ihren Armen, daß sie wahrscheinlich Brechstangen benötigt hätten, um uns voneinander zu trennen. »Wir wollten nicht stören …«
»Bring unsere Welt in Unehren und ermesse neuerlich dein Schicksal«, sagte ein Kerl, der auf uns zukam. Sein einziges Auge, mitten in der Stirn sitzend, funkelte mich an.
»Unser ist nicht dein. Dein ist nicht unser.«
»Seht das fürwitzige Ding, so gleich einem Blutegel an seiner Schwarten hängt«, sagte eine Frau. »Seines Herren Fleischpasteten, dick von des Todes Furcht.«
»Ist Enid hier?«
»Zähl auf deine Ursachen«, sagte einer, dessen Mundwinkel beim Grinsen fast die Ohren berührten. »In geziemender Eile.«
»Seamus!« hörte ich sie rufen; sie hatte nicht gleich bemerkt, wer die Veranstaltung gestört hatte, und dann zusätzliche Zeit gebraucht, sich durch die Menge zu arbeiten. Sie trug ihren kunstledernen Anzug mit den breiten wattierten Schultern. »Was läuft?«
»Wir hatten keine andere Wahl«, sagte ich.
Sie sprang auf die Schienen herunter und marschierte auf uns zu. Ich fühlte, wie Avalon ihren Griff noch festigte; das Atmen fiel mir schwer. »Deine Gegenwart entblößt Träume, die sonst sorgsam verhüllt. Du weißt …«
»Enid«, sagte ich, »es tut mir leid. Etwas ist geschehen. Wir werden gejagt. Wir konnten nicht zurück zur Wohnung. Wir hatten keine andere Möglichkeit, dich zu erreichen.«
Sie seufzte, lächelte; musterte uns unter besonderer Beachtung des aufs Geratewohl um meinen Kopf gewundenen Turbans. »Bist du aus dem Zug gefallen, der dich brachte?«
»Wir stießen immer wieder auf Leute …«
»Halt ein, Enid, und höre, wessen wir befinden«, sagte jemand. »Ich halte davor, daß dein Nestgefährte uns belausterte.«
»Unter Klumpen von Gold lauern giftig züngelnde Schlangenköpfe«, sagte eine Frau, die ein langes blaues Nachthemd trug; sie sah beinahe normal aus, bis ich unter hellerem Licht sah, daß jedes Auge zwei Pupillen hatte. »Er mag imstand sein, Mordgesindel herbeizulocken und uns auf die Fährte zu setzen.«
»Uns zu täuschen mit arger List«, sagte ein anderer. »Das mag uns noch sauer ankommen.«
Ein junges Mädchen drängte sich nach vorn, ein Taschentuch in der Hand, mit dem sie ihre großen blauen Augen betupfte – ständig tränende Glotzaugen, die ihr an kurzen Stielen aus dem Gesicht wuchsen.
»Lozels freischweifende Tatzen verschmähen anzuklopfen«, sagte sie. »Und finden allemal den Weg zu reicher Leute Tisch. Die schlechte Art ist uns genugsam bekannt, wann der Schwester Blut sich gleich für ihn erhitze.«
»Leah …«, begann Enid, kam aber nicht zu Wort.
»Die üble Fährte bleibt in aller Sinn«, fuhr das Mädchen fort, »entsetzt uns alle, die es nicht verdienten. Beschmutzt uns mit des Holzwurms Art. Unheil und Tod sind ihre Wege. Ein Geheimnis gestohlen ist ein Geheimnis verloren, Enid. Ein aufgebrochen Labyrinth läßt frei den Minotaurus. Gefahr zu enden muß schleuniges Bedürfnis sein …«
»Still jetzt!« rief Enid. Sie trat zu mir und hob die Arme, als wollte sie sich zum Kampf bereitmachen. »Mein Bruder kennt und achtet unsere Art. Er kommt nicht heimlich eingehüllt in das Gewand der Lüge. Seamus sucht seiner Schwester Schulter, den Kopf daran zu betten.«
»Doch Bonaroly dort vagiert auf heimlichen Wegen, die ihren Wundern schlecht bekommen möchten«, sagte Ruben, zu Avalon gewandt. »So geieräugig, geziert und schlau. Die letzte Nacht sah in dein Haus sie trappen, Enid. Und als der Morgen kam, schlichen die Bestien durch unser Loch.«
»Einer ward mit der Axt halbiert«, lachte Lester.
»Ihr Reiz hat Seamus' Fleisch verführt und ihm den Sinn benebelt«, fuhr Ruben fort. »Was mag geschehen, wenn ihr Feuer ihn das Auge blendet und den Verstand verbrennt?«
»So wirst du selbst es sehen«, versetzte Enid. »Es gibt nichts zu besorgen …«
»Vielleicht hat Bruderliebe dir den Sinn verwirrt«, sagte Derek. Er strich sich das lange Haar vom Mund. »Seine Koberin mag leicht mit Mordgedanken schleichen, dieweil du zusiehst und einer Sache nachsinnst, die einmal war und nicht mehr ist.«
»Wer sich von Torheit täuschen läßt«, schrie eine weitere Stimme aus dem Hintergrund, »den täuscht auch alles andere nur zu leicht.«
»Torheit ist, was Torheit tut«, schrie Margot und schwang ihren Stockdegen. Sie sprang mit einem Plumps auf die Geleise und watschelte auf uns zu;
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