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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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den Kontakt zu ihren Familien. Avalon hatte ihre Angehörigen seit ihrem elften Jahr nicht gesehen; einmal hatte sie ihnen eine Weihnachtskarte geschickt.
    »Partner«, sagte Mister Dryden, nagte an der Unterlippe und klopfte mit den Fingern an die Wände, als versuchte er der Geisterwelt Botschaften zu übermitteln. »La Rue von StanBrand, Jameson von XBP, Timmerman von Gorky-Detroit. Sie melden mir Vorprogramm.«
    »Klingt aufregend. Wer ist der vierte?«
    »Lope.«
    »Der ist ein netter alter Mann«, sagte sie. »Die Alten geben immer mehr Kohle als die Jungen.«
    »Arbeitet er noch mit Intel?« fragte ich; Lope war seit Monaten nicht dagewesen – arbeitete mit Waffengeschäften in Sibirien, glaubte ich.
    »Mit diesem arbeitet er für seine alten Kompagnons. Er steht für Marielize Atlantic City.«
    »Warum?«
    »Wir nicht.«
    Das System war einfach und funktionierte des öfteren, anders als die meisten Systeme. Mister Dryden steuerte das Geschäft; die Computer und Mittelsmänner führten es; und sein Vater besaß es. Sein Vater besaß vieles. Dryco hatte die Finger in jedem größeren Land und steckte mit beiden Händen tief in Amerika. Mister Drydens Vater – der Alte Mann, wie wir ihn nannten – war der erfolgreichste unter denen, welche die Ebbe überstanden hatten.
    »Wie lange wird es dauern?« fragte Avalon. »Ich frier mir den Arsch ab.«
    »Stunde, etwa. Nehme an, daß Lope heute verhandeln will.«
    »Ich dachte, er mag keine Gewalt«, sagte ich.
    Mister Dryden lachte und drückte mehrmals auf den Auf-Knopf. »Fragen Sie Vater«, sagte er.
    In den halcyonischen Tagen, in jenen längst vergangenen schimmernden Jahren, hatten der Alte Mann und seine Frau – Susie D – das einträglichste Freizeit- und Drogen-Netzwerk beider Amerikas beherrscht. Mit vertrauten Assistenten wie Lope und freundlichen Konkurrenten – denjenigen, die sie nicht erst hatten aufkaufen müssen –, hatten sie andere vielversprechende Unternehmen in einem ähnlich produktiven Ausmaß beherrscht: Müllabfuhr und -entsorgung, Bordelle und Spielhallen, häusliche Sicherheit und internationale Antiterrorhilfe, sowie Import-Export im weitesten Sinne. Schon damals war die Familie reich gewesen, wenngleich von vorstellbarem Reichtum.
    »Notieren Sie, OM«, sagte Mister Dryden. »Rufen Sie Wartungsdienst.«
    Die Drydens hatten ihre Gewinne jahrelang reinvestiert und ihre Stellung immer mehr ausgebaut. War ihr Einfluß vorher schon groß gewesen, so war er späterhin umfassend. Die Regierung jener Tage erlitt, nachdem sie die Nation lange Zeit vorsätzlich mit einnehmenden Lügen betrogen hatte, eine Reihe unerwarteter Rückschläge, die sich freilich schon lange angekündigt hatten und schließlich zum Durchbruch gekommen waren. Panik brach aus; niemand verstand gut genug, was vorging, um rechtzeitig eine glaubhafte Täuschung zusammenzubasteln, und so brach einstweilen alles zusammen. Der Alte Mann und Susie D wußten, wann sie handeln und wann sie stillhalten mußten, und als alles einzustürzen begann, rafften sie zusammen und brachten in Sicherheit, was sie konnten, um sich dann abzusetzen. Ihr Plan gelang – für sie und ihre Freunde. Es war, als ob das ganze Land in einem Theater gewesen wäre, wo plötzlich Feuer! gerufen wurde; als alle in Panik zu den Ausgängen stürzten, entdeckten sie, daß die Drydens die Türen hinter sich verschlossen hatten und nun von allen eine Fluchtgebühr erhoben.
    »Wartungsdienst?« fragte ich. »Warum?«
    »Geschwindigkeit zu lahm«, murmelte er und drückte wieder den Knopf.
    »Du fliegst ja schon«, sagte Avalon.
    Nach dem Long Island-Zwischenfall und der Entstehung der Ambients; nach der Enthüllung der Q-Dokumente und dem daraus resultierenden Verlust von Geistigkeit; nach der wirtschaftlichen Notlage und der daraus folgenden Geldentwertung, sowie der unausweichlichen Umgruppierung der Strukturen, wie sie von einigen genannt wurde, kamen die zwölf Monate, die damals schon von den Ambienten und heute von den meisten Leuten als das ›Koboldjahr‹ genannt wurde. Alles zusammen machte die Ebbe aus – im Sprachgebrauch der Ambienten jedoch die Aufwallung. Ich war damals zwölf, ahnungslos von meinen künftigen Brotgebern und ihrem Erfindungsreichtum; wie alle anderen in Ungewißheit dessen, was uns an Zukunft bleiben mochte. Meine Mutter war während eines Aufruhrs ›Für das Leben‹ umgekommen. Mein Vater, einst ein wohlhabender Landmakler, konnte nur einen Besitz halten, das Gebäude an

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