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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Straßenhöhe vor Kollisionen geschützt sein mochten, so erwiesen sich ihre Türme als Opfer waghalsig vorbeifliegender Taxis. »Das war ein furchtbarer Unfall«, sagte Malloy und deutete auf den abgebrochenen Kirchturm. »Das Blut. Schrecklich, einfach schrecklich.« Weinreben und Kabel ließen das Ausmaß des Schadens erahnen; ihre beblätterten Windungen grünten jede Kirche vom Fundament bis zum Kreuz und erstickten den Stein darunter. »Die Pflanzen wurden dem Rat für Historische Authentizität als impatiens verkauft«, fügte Malloy hinzu. »Später stellten sie sich als eine Kudzu-Hybride heraus. Das erklärt den Londoner Endzeit-Look.«
    »Was wird gedacht, Elvis?« fragte Leverett und schlug E auf das, was er für sein Bein hielt. Welcher Körperteil von E wo war, war nicht unmittelbar zu erkennen; er war von Kopf bis Fuß in einem allesverbergenden Mantel gehüllt, den er eng um sich zusammengezogen hatte.
    »Laßt mich in Ruhe«, antwortete er. »Wo sind wir?«
    »Fast dort«, sagte Malloy. »Seht mal dort, der Glanz des mächtigen Albions.« Die Betonklötze aus dem letzten Jahrhundert, die einst St. Paul's umgeben hatten, waren vor Jahren abgerissen worden; so isoliert erschien die Kathedrale zehnmal größer, als sie wirklich war. Ihr Stein war von außen illuminiert; hellweiße, auf die Kuppel gerichtete Spots ließen sie eindrucksvoll wie einen neuen Mond erscheinen, der über dem schwarzen Meer der Stadt aufging. Von Ludgate Hill bis zu den Portikus-Stufen waren Suchscheinwerfer in Doppelreihen aufgestellt, die himmelwärts zielten und Wände bis zur Decke des Himmels bildeten, zwischen denen sich die Menschen versammelten. »Definitiv Blakeisch. Heimliche Mitarbeiter von mir sind dafür verantwortlich, daß sie diesmal die Suchlichter benutzt haben, vergessen Sie das nicht. Gewöhnlich übertreiben sie nicht so, wenn sie allein gelassen werden.«
    Durch das Dach sah ich nichts als eine dichte Wolkendecke; faßte Malloys Arm, als unser Wagen mit einem Stoß auf den Boden aufkam und die Fleet Street verließ. »Was für eine Holowerbung ist beabsichtig, Leverett?« fragte ich.
    »Eine, die funktionieren wird«, sagte er und kaute an seiner Lippe, als wäre er zu hungrig, um bis zum anschließenden Essen zu warten. John blickte sich nach uns um und wandte seine Augen wieder ab, als ihn mein Blick traf. Der Fahrer lenkte unseren Wagen in einen gesicherten Bereich südlich der Kathedrale; eine Reihe Bobbys ließ uns passieren, bis wir neben einem trockenen Springbrunnen anhielten. Von unserem Parkplatz aus sah die Menge schattig aus und erschien wie ein Beet aus lebendig kriechendem Efeu.
    »Das ist unpassierbar, Leverett«, sagte ich, als ich die Menge beobachtete. Malloys Schätzungen unterschätzten; nicht weniger als hunderttausend hatten sich versammelt, um nach ihrem King zu rufen. »Wie soll die Kirche erreicht werden?«
    »Ich habe mit zwei unserer Repräsentanten arrangiert, daß sie uns am Rand der Menge treffen und uns hindurchführen«, sagte Malloy und entschnallte sich, um sich aufs Aussteigen vorzubereiten. »Die Führer werden uns wohl eher einen Weg hindurchhacken.«
    »Sie führen uns ins Gebäude«, sagte Leverett, »dann kommen wir hinter den Lautsprechern hervor und sind, wenn das Timing eingehalten wird, genau im richtigen Moment da. Fertig, Fahrer. Entriegeln Sie uns, bitte.«
    Die Türschlösser glitten in ihre Versenkungen; wir öffneten die Türen und traten hinaus, beschatteten unsere Augen mit den Händen, als wir zur lichtgebadeten Kathedrale hinüberschauten. »Wie wird ihre Sicherheit gegen unsere Anwesenheit abgeschirmt?« fragte ich.
    »Sie haben keine«, sagte Leverett lachend, als er und Malloy E aus dem Wagen holten und ihn in seinem Umhang verschnürten, damit er inkognito blieb. »Auf jeden Fall werden alle mit Sicherheit ganz konzentriert sein. Elvis, es ist Zeit. Ich habe noch etwas Wichtiges zu sagen.«
    Während wir unter dem schneehellen Berg der Kathedrale standen, ihre leuchtende Kuppel betrachteten, die die Nacht zum Tage machte, linkswärts zum Nürnberg-Licht des Aufmarschs blickten, hörten wir die Menge den Eröffnungsgesang singen. »Love Me Tender« acapellierten hunderttausend mit einer Inbrunst, die ich nie für möglich gehalten hätte. Durch ihren Chor ließen die Anhänger des Kings ihre Körper zurück und gingen in eine Ätherisation über, die schließlich ihren Glauben mit dem jeder anderen Religion gleichsetzte. In der Menge waren viele

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