Ambient 05 - Elvissey
knickte unter dem Gewicht des Wassers ein. Er nahm seine Sonnenbrille ab und warf sie in die Menge; niemand versuchte sie aufzufangen, als sie hineinfiel.
»Was machen Sie mit mir?« brüllte Leverett in sein Telefon. »Sie können nicht …«
»Schwindler ! « rief jemand. »Schmeißt ihn runter«, sagte ein anderer. »Vegassener!« schrie eine Frau. »Amerikaner !! «
Die in den ersten Reihen rückten vor und versuchten die improvisierte Verteidigungslinie zu durchbrechen, die sich plötzlich gebildet hatte; unzweiflig einige von Malloys Männern, die taten, was sie konnten, um Schaden zu verhindern. Taschengroße HiFi-Geräte landeten auf den Stufen des Portikums, als die weiter hinten Stehenden ihre Absichten deutlich machten. E wich vom Podest zurück; drehte sich um und lief zu mir. Ich konnte nicht erkennen, ob der Regen oder die Tränen sein Gesicht mehr benetzten. John trat zwischen uns, als er sich näherte, und verhinderte jede Umarmung. Als E ihm auszuweichen versuchte, packte mein Mann ihn mit den Händen an der Kehle und schüttelte seinen Kopf, als wollte er ihn abreißen; ohne Rücksicht auf seine Reaktion versetzte ich John einen Schlag in den Nacken; er ließ E los, und ich zog ihn an mich heran.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Isabel, es tut mir leid. Hilf mir …«
John packte E's Arm und zog ihn über die Steine, als wollte er ihn in die Menge schleudern. Leverett sah, was vor sich ging, ließ sein Telefon fallen und rannte herbei. Malloys Männer stellten sich an den Stufen auf, hoben ihre Waffen und schossen. Der Lärm der Menge wurde stärker; Pflastersteine prallten gegen die Säulen. Leverett wich zurück, als er hinüberlief, und schlug E ins Gesicht; hielt sich die Hand, als hätte er sie sich gebrochen, während er weiterschrie.
»Sieh, was du angerichtet hast! Sieh …!«
»Schlag mich nicht …« sagte E und rieb sich das Kinn; bevor John ihn zurückhalten konnte, hatte ich ihn gepackt und zog ihn zu mir herüber. Die Schüsse wurden lauter: Als ich nach unten sah, erkannte ich, daß die Bewaffneten in der Menge die vorderen Reihen erreicht hatten. Während ich E mit der einen Hand fester hielt, langte ich mit der anderen in meine Tasche, um die Puderdose zu suchen. Die kleineren Eingänge der Kathedrale besaßen Drehtüren, um den Touristenandrang zu bewältigen; ich wußte, was notwendig war, wenn wir fliehen wollten, wenn auch nur momentlang. Mit E im Schlepptau lief ich auf die Türen zu; John und Leverett hetzten hinter uns her, ohne die Elvii oben auf der Treppe zu beachten. Ich warf mich gegen das Glas einer Tür und drückte E neben mir in den Keil, als ich meinen Daumen auf die Puderdose preßte; bevor zehn Sekunden vergingen, quetschte sich auch John hinein.
»Nicht ohne mich, Iz«, sagte er. »Nicht ohne mich.«
Ich stemmte meine Füße gegen die uns einschließenden Türflügel, um sie auf der Stelle zu halten, und versiegelte unser Abteil, als die Welt um uns herum weiß wurde. Ich schloß die Augen, spürte die Variationen durch meinen Körper rieseln und betete zu Gottheit, daß meinem Baby kein Schaden zugefügt wurde. Blut wärmte mein Gesicht, als meine Nase floß; weder E noch John sprachen, während wir transferierten. Durch die Lider bemerkte ich die Verdunkelung, als die Weiße nachließ; ich zog meine Beine zusammen, beugte mich vor und stieß, bis die Tür sich drehte und uns freiließ. Als ich herauskam und mein Arm immer noch E's hielt, schaute ich auf eine dunkle, rote Welt.
»Was ist das?« fragte E und befreite sich aus meinem Griff. »Wo sind wir?«
»Iz«, sagte John. »Das ist …«
»Krieg«, sagte ich, als ich mich schlagartig an die historischen Schlußfolgerungen erinnerte, die Dryco nach unserer Rückkehr extrapoliert hatte.
»Sind wir noch in London?« fragte E, und starrte die Stufen hinunter.
»Welcher Krieg?« fragte John. »Der zweite? Er ist vorbei …«
»Nicht hier«, sagte ich. »Großbritannien hat nie Frieden mit Deutschland geschlossen. Er ist im gange, und wir sind mittendrin …«
Bis ich die Suchscheinwerfer sah, war es unmöglich zu entscheiden, ob es Tag oder Nacht war. Der Platz vor der Kathedrale war rundum mit Sandsäcken verbarrikadiert; verdrehte Schläuche waren wie Schlangennester ineinander verschlungen und sprühten aus Lecks. Sie waren mit Feuerwehrwagen verbunden, und die Düsen wurden von Männern gehalten, die die brennenden Gebäude um die Kathedrale herum wässerten.
Aus Hunderten von Brandherden
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