Ambler by Ambler
schielenden Blick, mit dem sie mich anstarrte. Und niemand hatte einen normalen Mann wie Mat dabei, der die Stichwörter lieferte, sondern fast alle stellten die gleichen Fragen. Wieviel Realität steckt in Ihren Romanen? Was bewegt Sie?
Sie wurden allerdings nicht oft so einfach formuliert. Die meisten Frager ergingen sich in eleganten Wendungen. Ihre Fragen waren garniert mit französischen Ausdrücken (etwa: »Inwieweit handelt es sich bei Ihren Büchern au fond um Schlüsselromane?«), sie gaben sich witzig (»Würden Sie Ihr Œuvre als fiktiv oder faktiv beschreiben?«) und kamen zuweilen auch weniger harmlos daher (etwa: »Man hört, daß Ihre Bücher dem cia gefallen. Freuen Sie sich darüber?«). Ein oder zwei der feinfühligeren Fragestellern schienen sich verstohlen an das Problem meiner Aufrichtigkeit heranzumachen, als hätten sie gerade angefangen, mit einer verbotenen Droge von verdächtiger Stärke und Reinheit zu handeln. Es sei alles nicht so persönlich gemeint, sagten sie. Sie wollten bloß wissen, wieviel meine Geschichten mit der Wahrheit zu tun hätten. Eine ganz einfache Sache. Niemand würde hier irgendwelche Vorwürfe erheben. Man sollte es mal aus der Sicht der Leser betrachten, die da standen bzw. saßen. Daß ich ein bißchen besser war als der durchschnittliche Lohnschreiberling und von Jacques Barzun eine gute Kritik bekommen hatte, sei ja noch lange kein Beweis für meine Qualität, nicht? Vielleicht war ich bloß ein exklusiverer, schon etwas arrivierter Schwindler, hmm? Eine vernünftige Frage? Na schön, wie lautet dann meine Erwiderung?
Zuerst wollte ich alle Fragen beantworten, was mich aber bald in Schwierigkeiten brachte. Anstatt die Fragen direkt zu beantworten, versuchte ich daher, Gegenfragen zu stellen. Ich sagte beispielsweise, daß die Beziehung zwischen Erzähler und Leser auf einem ähnlich stillschweigenden Einverständnis beruht wie die Beziehung zwischen Dramatiker und Theaterpublikum. Diese Bemerkung kam jedoch nicht an. Eine Bühne sei doch kein Buch, wurde mir vorgehalten. Ich müßte doch wissen, daß der Erfolg von Politikern und demagogischen Predigern in Amerika davon abhängt, inwieweit die Öffentlichkeit bereit ist, ihre Skepsis aufzugeben. Von Schriftstellern, selbst wenn es bloß Romanciers sind, würde man besseres erwarten.
Mittlerweile hatte ich unter den Nervensägen zwei verschiedene Gruppen ausgemacht: diejenigen, die Romane lasen, diese Gewohnheit aber im Grunde ihres Herzens mißbilligten, und diejenigen, die das Lesen von Romanen als einen Sport betrachteten, bei dem es darum geht, daß der Leser die reale, lebendige Person, die sich hinter dem Umschlagfoto versteckt, finden und beschreiben soll. Für den Autor auf Tournee ist dies nur dann verwirrend, wenn er nicht erkennt, daß beide Gruppen zwar im wesentlichen die gleichen Fragen stellen, sie aber so formulieren, daß unterschiedliche Antworten dabei herauskommen. Er lernt, Ausdrücke wie »Realitätsebenen« oder »Phantasie« lieber zu vermeiden. Die einzig sichere Methode des Antwortens besteht darin, verbindlich zu sein.
Bei einigen Schriftstellern, und das gilt besonders für diejenigen, deren Leben in ihren Romanen immer vorhanden ist, nur spärlich versteckt hinter imaginären Figuren, kann diese Verbindlichkeit durchaus natürlich wirken, wenn sie bescheiden von unbedeutenden Einsichten sprechen und den Spiegel der Erkenntnis hochhalten. Verfasser von historischen Romanen haben es, solange sie sich nicht allzu heftig dagegen wehren, als Historiker behandelt zu werden, relativ leicht, wie übrigens auch Verfasser von halbpornographischen Bestsellern, deren Leser sich nur für die Höhe ihres Einkommens interessieren. Für zeitgenössische Erzähler jedoch, und besonders für Thrillerautoren, kann die Tournee eine nervenaufreibende Sache sein.
»Welches Ihrer Bücher ist das autobiographische?«
Als mir diese Frage das erste Mal gestellt wurde, antwortete ich ohne nachzudenken. »Keines«, sagte ich, und für einen Moment war ich mir sicher.
Der junge Mann, der gefragt hatte, und das Mädchen neben ihm sahen wie Studenten aus. Bestimmt hatte ihnen irgendein Anglistikprofessor etwas von den herkömmlichen Methoden erzählt, wie Romane konzipiert und geschrieben werden. Vielleicht wollten sie sogar selbst Schriftsteller werden. Vielleicht waren sie es schon. Ich sollte ihnen eigentlich so gut es ging helfen.
Dann kamen die Zweifel. Wie konnte man irgendeines meiner Bücher für
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