Ambler by Ambler
autobiographisch halten! Entweder sie hatten sie nicht gelesen, oder sie wollten sich auf meine Kosten amüsieren. Ich wollte gerade zu meiner Verteidigung ansetzen, als das Mädchen losschlug.
»Nicht ein einziges?« Es war eine hohe, durchdringende Stimme. »Einige Ihrer Bücher könnten durchaus autobiographisch sein, nach Vorschauen Ihres Verlags zu urteilen. Wollen Sie uns ernsthaft weismachen, daß Ihre Bücher allesamt völlig frei erfunden sind, daß in keinem etwas von Ihnen steckt?«
Obwohl um etliches jünger als Tommy, sprach sie mit dem Stakkato eines geborenen Zankteufels.
»Ich will lediglich sagen, daß meine Bücher Romane und daher Fiktion sind.«
»Und daher auch unwahr?«
»Sie sind genauso wahr oder halbwahr oder unwahr wie in dem Moment, als Sie noch glaubten, sie könnten autobiographisch sein.«
Der Junge sagte: »Hah!« und beide schenkten mir Blicke, aus denen die reinste Verachtung für den alten Quatschkopf da vorne sprach. Das Mädchen hatte ein Buch in der Hand gehalten, das ich signieren sollte. Nachdem sie sich vergewissert hatte, daß ich sie beobachtete, legte sie es ostentativ wieder auf den Bücherstapel zurück, und beide verließen die Szene.
Ein, zweimal versuchte ich so zu tun, als sei die Frage etwas völlig Neues, Überraschendes für mich, aber ich stellte fest, daß mir die Entschlossenheit und Unverfrorenheit fehlte, um diesen Schein aufrechterhalten zu können. Ich probierte es mit einer Art beiläufigen Offenheit (»Das frage ich mich manchmal selbst«), vermochte mich den anschließenden Diskussionen aber nur mit Mühe zu entziehen. Als letzten Ausweg dachte ich mir schließlich eine Antwort aus, in der ein Körnchen Wahrheit enthalten war, als Kostprobe genug, als Stimulans zu wenig. Als ich soweit gediehen war und sie ausprobieren konnte, befand ich mich in Los Angeles.
Ich hatte früher einmal in dieser Stadt gelebt und hatte noch Freunde und Bekannte dort. Ich hätte wissen müssen, welches Risiko ich einging. Schon die Art, wie die Frage gestellt wurde, hätte mich warnen sollen.
»Ist Ihnen mal der Gedanke gekommen, irgendeiner Ihrer Romane könnte teilweise autobiographisch sein?«
Er war mittleren Alters, wohlgenährt, helläugig und trug keine Krawatte. Angefangen hatte es damit, daß er mich begrüßte, als seien wir uralte Freunde, was in Los Angeles allerdings nichts bedeutet. Er sah aus wie ein Zahnarzt. Tatsächlich glaubte ich in ihm jenen Zahnklempner aus Westwood wiederzuerkennen, der mich einmal ganz schön gepiesackt hatte. Nach einer gedankenschweren Pause gab ich ihm meine neue Antwort.
»Insofern alle meine Bücher die Produkte eines einzigen Geistes und einer Summe von Erfahrungen sind, können sie wohl allesamt als mehr oder weniger autobiographisch gelten. Ich möchte aber nicht allzu sehr vereinfachen. Geschichten zu schreiben ist überhaupt kein einfacher Prozeß. Das ist jedenfalls meine Meinung.«
»Großartig!« Er strahlte vor Begeisterung. »Sie haben wirklich nachgedacht. Genau so, wie der Mann eben sagte. Im Hinblick auf geistige Konzentration sind diese Autorentourneen bestimmt jedesmal eine entsetzliche Folter. Haben allen Leuten gezeigt, wie’s so aussieht in Ihrem Innern, stimmt’s?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Natürlich nicht. Sie sind ja klug. Sie heben’s sich auf. Gibt es einen zweiten Akt?«
»Wobei?«
»In Ihrer Autobiographie, die Sie schreiben wollen, mein Bester! Woran würde ich denn sonst denken?«
Dann fiel es mir wieder ein. Er war nicht der Zahnklempner, sondern ein Drehbuchautor, der jetzt als Regisseur beim Fernsehen arbeitete. Es war in einer Buchhandlung am Wiltshire Boulevard nicht weit von Hollywood. Ich war ohne eigenes Auto gekommen. Die pr -Frau chauffierte mich. Es würde schwer sein zu fliehen.
»Nicht mal einen ersten Akt gibt es«, sagte ich.
»Unsinn.« Er drückte mich fast in das Reklamedisplay für ein Computerspiel. »Bei jedem gibt es einen ersten Akt. Das ist ja gerade das Problem mit Autobiographien hier in der Stadt. Zu viele Einakter. Kindheit in Armut, die ersten Kämpfe, der erste große Erfolg, der erste Hit, und dann wird das große Geld gemacht. Und dann? Nichts. Wenn man Schauspieler ist, kann man eigentlich nur seine Filme Revue passieren lassen. Schriftsteller haben mehr zu sagen, doch den meisten fällt es schwer, es irgendwie nett zu sagen. Achten Sie noch immer auf Ihre Gesundheit? Joggen Sie?«
»Nein.«
»Als Sie noch hier wohnten, sind Sie immer zu Dr.
Weitere Kostenlose Bücher