Ambra
bezeichnen konnte: Es war das größte Boot, das hinter der Speicherinsel angelegt hatte, sein Rumpf strahlte in frisch poliertem Dunkelblau, und in fein geschwungener Schreibschrift stand auf seinem Bug: Albatros.
Das ist aber ein schönes Boot, findest du nicht?, fragte Albina. Wem so was wohl gehören mag? Ich nickte vage. Ja … ein Albatros eben, antwortete ich, um sie nicht zu enttäuschen. Wir gingen auf die Brauerei zu, und da dachte ich, wir sind schon da, das also war die Überraschung: die Brauerei, aber da hielt mich Albina an dem Hafengeländer zurück, hakte mich unter und sagte: Schau mal. Ein, zwei Sekunden vergingen, nichts passierte, dann aber tauchten auf dem Deck des Schiffes Bartosz, seine Eltern und Renia auf. Sie schwenkten Wunderkerzen in den Händen und riefen laut
Überraschung!
Und? Albina strahlte mich an. Der Wahnsinn, oder?
Ich nickte sprachlos, glotzte auf das Schiff und die winkenden Leute und winkte zurück. Bronka strahlte über das ganze Gesicht, eine Yacht, musste sie gedacht haben, das sei das Tollste, womit man mich überraschen könne. Und wenn sich Bronka etwas in den Kopf gesetzt hatte, musste es durchgeführt werden, als Mutter der Familie war sie eine Art Naturgewalt, der sich jeder beugen musste, familienzugehörig oder nicht, und dementsprechend waren auch alle da, bis auf Rokas, natürlich, aber von dem sollte wenigstens heute nicht die Rede sein, nicht noch einmal.
Das Boot war groß genug, um Freunde und Verwandte der Familie aufzunehmen, einige ältere Ehepaare, die sich ganz in Weiß und Dunkelblau gekleidet hatten, außerdem ein paar von Bartosz’ ehemaligen Kameraden, darunter auch der Besitzer des Segelboots – Michaƚ –,den ich nie zuvor gesehen hatte. Die Gesichter der Männer waren so braungebrannt wie das von Bartosz. Als ich ihn einmal darauf angesprochen hatte, hatte er geantwortet, dass das eine Bräune sei, die nicht wieder verschwinde, da könnten so viele polnische Winter kommen, wie wollten.
Kröger, der sich ebenfalls an Bord befand, war so blass wie immer. Wer weiß, wer ihn eingeladen hatte, vielleicht war er bloß zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen, vielleicht stimmte es ja, und er hatte wirklich ein Gespür für
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, wie der alles nannte, was ihn interessierte, und so nannte er später ja auch das Ganze: eine verrückte und völlig unwahrscheinliche
story.
Er hatte sich, etwas entfernt von Bartosz und dessen ehemaligen Kameraden, hinter Renia gestellt und hielt seinen Kopf so nah wie möglich an ihren Nacken. Und Renia, daran kann ich mich genau erinnern, trug ein wunderbares Sommerkleid, grün-weiß gepunktet war das und hatte dünne Trägerchen, die ihre Schlüsselbeine ganz unbedeckt ließen, ein roter Schimmer breitete sich bereits auf ihrem Dekolleté aus, und das, obwohl sie einen riesigen Strohhut trug. Sie lachte und ließ sich auch nicht von Bronkas kritischem Blick verunsichern. Deren größter Unmut war jedenfalls, soweit ich erkennen konnte, einer stillen Resignation gewichen. Auch wenn sie die zerbrechliche junge Frau mit den dunklen Augenringen nicht in ihr Herz schließen konnte, so hatte sie sie wenigstens zum Ausflug eingeladen. Bartosz musste es wie ein Wunder vorgekommen sein.
Wir legten ab, und Bronka drückte mir ein Glas mit rosafarbenem Krimsekt in die Hand. Auch als es schonlängst leer war, behielt ich es, weil sich nirgends eine sichere Abstellfläche bot. Kurz überlegte ich, zu Bartosz hinüberzugehen, ließ es dann aber bleiben. Unser letztes Gespräch war ein einziger Schlagabtausch gewesen, er hatte mir die Schuld zugeschoben und ich sie wieder zu ihm, und seitdem kommunizierten wir, wenn überhaupt, nur über SMS. Es hatte sich zwar herausgestellt, dass nicht alles Kapital verloren war, aber immerhin einiges, und ohne meine Hilfe wollte und konnte Bartosz das Geschäft nicht weiterführen. Abgesehen davon hatte er mir verboten, auch nur einen Schritt über die Türschwelle des Ladenlokals zu setzen, was mir mehr als recht war. Dieses Kapitel war für mich ein für alle Mal abgeschlossen.
So laut, wie sich Bartosz und seine Freunde aufführten, hatten sie schon mehrere Gläser geleert. Insgeheim war ich davon überzeugt, dass, wenn die das Boot steuern sollten, wir höchstens ans andere Ufer gelangten, aber niemals bis zur Mündung des Flusses. Es irritierte mich, dass sich Bartosz nicht in Renias Nähe aufhielt, als würde er sich für sie schämen, vor seinen Verwandten oder seinen
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