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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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Andrzej, alles verlief friedlich. Man genoss den Tag, Sonnenmilch kursierte. Zum ersten Mal seit vielen Wochen führte ich ein längeres Gespräch mit Renia. Etwas abwesend wirkte sie auf mich, unaufmerksam, als sei sie mit ihren Gedanken woanders. Am liebsten hätte ich sie umarmt, aber ich beherrschte mich. Kröger lehnte keine zehn Meter von uns entfernt an der Reling, und obwohl er seine verspiegelte Sonnenbrille trug, wusste ich, dass er uns keinen Moment aus den Augen ließ, als ob er nur darauf wartete, dass die Situation eskalierte.
    Renia wollte gerade ansetzen, etwas zu sagen, etwas, das sie lange Zeit im Mund hin und her geschoben hatte, da kam Bartosz mit ein paar gefüllten Gläsern über das Deck geschwankt und wollte Renia eines davon in die Hand drücken. Renia schüttelte den Kopf. Bartosz tat so, als würde er mich nicht bemerken, aber
     
    die Kugel traf ihn irgendwo an seinem Ohr. Genau an dem Teil des Kopfes traf sie ihn, der nicht vom Helm bedeckt wird, und die Kugel, die ihn tötete, war meine
Kugel, einwandfrei meine, ich hatte es von Anfang an gewusst, natürlich, auch wenn später aufwendige Nachforschungen angestellt wurden, es hatte doch jeder gesehen – Socha, Lysiecki und die anderen –, dass es meine Kugel gewesen war. Lysiecki hat später ausgesagt, dass ich für einen Moment keinen Überblick über die Situation gehabt hätte, das würde vorkommen, Schüsse aus allen Richtungen, da könne man leicht die Nerven verlieren, und alle haben es geglaubt. Wie sonst kann man so idiotisch sein, in einem Schusswechsel plötzlich seine Deckung zu verlassen und aufzustehen, inmitten all des Staubes und des aufgewirbelten Sandes, Jarzèbiński war ein Idiot, und dass ich ihn umgebracht habe, werde ich ihm nie verzeihen.
    Das hat später niemand so gesagt: umgebracht. Er starb im Schusswechsel mit dem Feind, so haben sie es genannt, auf eine große Staatsaffäre hatte keiner Lust, und es war doch so, es gab einen Schusswechsel mit dem Feind, hinterher war Jarzèbiński tot, nur dass es der Feind war, der ihn tötete, das stimmte nicht ganz, aber das hatte ja auch niemand behauptet. Innerhalb des Camps wusste jeder innerhalb einer Stunde Bescheid, aber das war mir egal. Viel schlimmer war die Psychotante, Socha und Lysiecki und die anderen mussten auch hin, aber ich wurde so was wie ihr Stammgast, jedenfalls solange ich noch im Camp war und bevor die Militärpolizisten kamen und ihre Fragen stellten. Ich brauchte gar nicht viel zu sagen, viel zu sagen gab es ja sowieso nicht, aber das meiste hatten die schon mit Socha geklärt und der Psychotante und den Ärzten, die Jarzèbiński obduziert hatten, und fast schienen die Militärpolizisten beleidigt, dass so etwas geschehen war, dass so etwas hatte geschehen können, so einen unangenehmen Fall hatte es nicht
mehr gegeben seit dem Idioten, der sich beim Putzen seiner Waffe den Schädel weggeblasen hatte und dem armen Schwein, das sich aufgehängt hatte, an seinem Hochbett, aber das war vor meiner Zeit in Babylon gewesen. Was für ein merkwürdiger Zufall, hatte Lysiecki mir später erzählt, das arme Schwein hatte ebenfalls nur noch zwei Wochen in Babylon, und statt die durchzuhalten, hatte er seinen Gürtel vorgezogen, komisch sei das doch, aber so komisch fand ich das dann doch nicht, nach der Zeit in Babylon kommt die Zeit außerhalb von Babylon, und die Vorstellung, die Scheiße hier nicht mehr aus dem Schädel zu bekommen, das kann einen fertigmachen, so fertig, dass man vielleicht sogar darüber nachdenkt, während eines Schusswechsels einfach aufzustehen und seinen Kopf so zu drehen und zu wenden, dass ihn mit Sicherheit irgendeine Kugel schon treffen wird, aber das ist nur ein Gedanke, und geäußert habe ich ihn niemals, ich nicht, nein.
    Ob ich seiner Familie etwas sagen wolle, fragte mich die Psychotante, also der Familie vom Jarzèbiński, aber als ich an seine Mutter dachte und seine kleine Schwester, da hat es mir die Kehle zugeschnürt und ich habe gar nichts gesagt, bloß stumm den Kopf habe ich geschüttelt, und noch Tage später, als man es ihnen längst gesagt hatte, wusste ich nicht, was die richtigen Worte waren, und zu der Zeit kannte ich ja auch gar nicht die offizielle Version, die man seiner Mutter aufgetischt hatte.
    Was sollte ich der Psychotante schon erzählen? Vom Geier etwa, der über allem kreiste und Jarzèbińskis Tod gerochen hat aus kilometerweiter Entfernung, oder vom Blut, das in einen Sand hineinsickerte, in

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