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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Madonna unter dem ständigen Kontakt mit meinem Sohn gelitten hätten. Zehn Jahre mit Ramses hatten in mir die Überzeugung reifen lassen, daß meine Unfähigkeit, weitere Kinder zu bekommen, nicht, wie ich zuerst glaubte, eine traurige Enttäuschung, sondern einen Gnadenakt der allwissenden Vorsehung darstellte. Ein Ramses war genug. Zwei oder mehr von der Sorte hätten mir den Rest gegeben.
    (Soviel ich weiß, hat der Umstand, daß Ramses ein Einzelkind ist, zu einigen böswilligen Spekulationen geführt. Ich möchte nichts weiter dazu sagen, als daß es bei seiner Geburt zu gewissen Komplikationen kam, die ich nicht im Detail erläutern möchte, da sie nur mich etwas angehen.)
    Und nun hatte ich noch ein Kind, um das ich mich kümmern mußte. Nicht etwa ein leicht zu formendes Kleinkind, sondern ein Mädchen an der Schwelle zur Frau, deren Lebensgeschichte noch ungewöhnlicher war als die meines so entsetzlich altklugen Sohnes. Was um Himmels willen sollte ich mit ihr anfangen? Wie sollte ich ihr Umgangsformen beibringen und die enormen Bildungslücken schließen, was nötig war, damit sie in ihrem neuen Leben glücklich wurde?
    Wie ich zu vermuten wage, hätten die meisten Frauen sie in ein Internat gesteckt. Doch ich weiß, daß man sich seiner Pflicht nicht entziehen darf. Es wäre eine ausgemachte Grausamkeit gewesen, Nefret der beengenden Frauenwelt eines Mädchenpensionats zu überantworten. Ich eignete mich besser dazu, sie zu erziehen als eine Lehrerin, denn ich kannte die Welt, aus der sie kam. Außerdem teilte ich ihre Verachtung für die absurden Regeln, denen die sogenannte Zivilisation das weibliche Geschlecht unterwirft. Und … ich mochte das Mädchen.
    Wenn ich nicht so ehrlich wäre, würde ich sagen, daß ich sie liebte. Zweifelsohne hätte ich so empfinden müssen. Sie hatte Eigenschaften, die sich jede Frau bei einer Tochter gewünscht hätte – einen reizenden Charakter, Scharfsinn, Ehrlichkeit und, wie schon erwähnt, außergewöhnliche Schönheit. Doch dieses letztere Merkmal, das viele in unserer Gesellschaft an erster Stelle nennen würden, zählt bei mir nicht so viel, obwohl ich mich daran freute.
    Sie hatte das Aussehen, um das ich andere immer beneidet hatte. Ganz anders als ich. Mein Haar ist schwarz und kraus, Nefret fiel das Haar über die Schultern wie ein goldener Vorhang. Ihre Haut war zart und hell, ihre Augen kornblumenblau. Bei mir … ist das ganz anders. Ihre schlanke, zierliche Gestalt würde wahrscheinlich nie die Ausbuchtungen entwickeln, die die meine kennzeichnen. Emerson hatte immer wieder betont, daß ihm das an mir gefällt, aber ich bemerkte das Wohlgefallen, mit dem sein Blick Nefrets zarter Gestalt folgte.
    Wir waren im April nach England zurückgekehrt und hatten uns wie immer im Amarna House, unserem Zuhause in Kent, eingerichtet. Allerdings nicht ganz wie immer, denn unter gewöhnlichen Umständen hätten wir uns sofort an unsere Ausgrabungsberichte gesetzt. Emerson lag viel daran, sie so schnell wie möglich zu veröffentlichen. In diesem Jahr würde er weniger schreiben müssen als sonst, denn unsere Expedition in die Wüste hatte den Großteil des Winters in Anspruch genommen. Trotzdem hatten wir nach unserer Rückkehr nach Nubien einige produktive Wochen lang in den Pyramidenfeldern von Napata gearbeitet. (Wobei uns Nefret, wie ich hinzufügen muß, eine große Hilfe gewesen war. Sie zeigte ein beachtliches Talent für die Archäologie.)
    Ich konnte Emerson nicht assistieren, wie ich es sonst tat. Gewiß muß ich nicht erklären, warum ich anderweitig beschäftigt war. Das lud eine gehörige Last auf Emersons Schultern, doch diesmal beschwerte er sich nicht und wimmelte meine Entschuldigungen mit (beängstigendem) Gleichmut ab. »Ist schon in Ordnung, Peabody; das Kind kommt zuerst. Sag’ mir, wenn ich etwas für dich tun kann.« Diese ungewöhnliche Freundlichkeit und die Tatsache, daß er meinen Mädchennamen benutzte – das tut Emerson, wenn er entweder in besonders liebevoller Stimmung ist, oder wenn er mich zu etwas überreden will, womit ich nicht einverstanden bin –, ließ in mir die schrecklichsten Befürchtungen keimen.
    »Du kannst nichts tun«, antwortete ich. »Was verstehen Männer schon von Frauenangelegenheiten?«
    »Hmmm«, meinte Emerson und zog sich eilends in die Bibliothek zurück.
    Ich muß zugeben, daß es mir Spaß machte, das Mädchen anständig auszustaffieren. Als wir in London eintrafen, besaß sie kaum ein nennenswertes

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