Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
Sie es überhaupt wissen?«
»Wenn ich Ihnen die Wahrheit sagte, würden Sie mir ohnehin nicht glauben. Nein« – ich hatte in diesem Augenblick versucht, ihm den Ring zurückzugeben – »er gehört mir nicht mehr. Die Aufgabe ist in andere Hände übergegangen.«
»Jetzt hören Sie mir mal gut zu«, fing Emerson an. Er hielt sich weitaus besser im Zaum, als ich jemals für möglich gehalten hätte. »Wenn Sie damit andeuten wollen, daß Mrs. Emerson Ihre Nachfolgerin – die nächste Inkarnation –, ach, zum Teufel!«
»Sie sind es, nicht Ihre Frau«, lautete die Antwort.
In Erwartung des drohenden Wutausbruchs hielt ich den Atem an. Doch zu meiner Überraschung schien Emerson auf einmal in besserer Stimmung zu sein. Der Anflug eines Lächelns huschte über sein strenges Gesicht.
»Diese Möglichkeit kommt mir angemessener vor. Jetzt interessiert mich nur noch, wie Sie diese Übertragung der Persönlichkeit zuwege bringen wollen, Mr. Saleh. Gewiß erwarten Sie nicht von mir, daß ich mich einem klassischen Reinigungsritual unterziehe. Mrs. Emerson ist zwar eine Feindin von Bärten, aber sie würde zweifellos Einspruch erheben, wenn ich mir den Kopf kahlrasieren lassen wollte. Außerdem würde ich nicht einmal um den ehrenvollen Posten eines Hohepriesters der Tetischeri willen auf mein Roastbeef und … äh … und gewisse andere Genüsse verzichten.«
»Sie verstecken sich nur hinter Spott, um der Wahrheit nicht ins Auge sehen zu müssen, Professor. Schon bald werden Sie feststellen, daß das Schicksal eines jeden Menschen vorherbestimmt ist; auch Sie können dem Ihren nicht entrinnen. Es wird Sie ereilen, und Sie werden sich fügen müssen. Bis dahin will ich Sie in dem Glauben lassen, daß ich Sie aus rein praktischen Gründen um Ihre Hilfe bitte, falls Ihnen das lieber ist. Das Geheimnis kann nicht länger bewahrt werden. Seit tausend Generationen haben wir Tetischeri vor den Grabräubern aus Gurneh, vor griechischen, römischen und byzantinischen Dieben und vor den Plünderern aus Europa und Amerika geschützt. Es gibt Mittel und Wege, solche Leute in die Irre zu führen. Und wenn nichts anderes mehr half …«
»Mord?« hauchte ich.
»Nur im äußersten Notfall. Inzwischen allerdings gibt es zu viele Schatzsucher, und es werden immer mehr. Auf den Klippen des westlichen Theben wimmelt es von ausländischen Archäologen, und die ortsansässigen Diebe sind umtriebiger denn je. Wenn Tetischeris Grab entdeckt werden muß, dann besser von einem Wissenschaftler als von einem Räuber – denn letzterer wird zerstören, was er nicht fortschaffen kann, und die Schätze an jeden x-Beliebigen verkaufen, so daß sie über die ganze Welt verstreut werden. Sie müssen mir etwas versprechen – einen heiligen Eid schwören.« Die Hand mit der Waffe hing nun locker herunter, und der Mann tat einen Schritt auf Emerson zu. »Sie werden nicht zulassen, daß ihre Mumie geschändet wird. Sie werden dafür sorgen, daß die Grabbeigaben vollständig und unversehrt bleiben und die sterbliche Hülle der Königin mit Ehrfurcht behandelt wird. Schwören Sie das?«
Diese mit eindringlicher Stimme gesprochenen feierlichen Worte klangen wie ein Gebet oder eine Zauberformel. Emerson trat zwar verlegen von einem Fuß auf den anderen, hielt aber dem Blick des Fremden stand.
»Das kann ich nicht schwören«, antwortete er. »Wenn es in meiner Macht läge, würde ich Ihren Wunsch gerne erfüllen. Allerdings muß ich Ihnen der Ehrlichkeit halber gestehen, daß meine Gründe nicht die Ihren wären. Ein solcher Fund würde eine Sensation bedeuten und müßte schon aus wissenschaftlichen Erwägungen heraus intakt bleiben. Man würde ihn gut bewachen und nach allen Regeln der Kunst konservieren. Sie haben recht mit Ihrer Einschätzung: Wenn Grabräuber die Mumie zuerst fänden, würden sie sie in Stücke reißen und alles zerstören, was sie nicht wegschaffen können. Vom archäologischen Standpunkt aus wäre das eine Tragödie … Aber warum verschwende ich meine Zeit mit sinnlosen Vermutungen?
Ein solches Grab gibt es nicht, und selbst, wenn dem so wäre, könnte ich Ihnen nichts versprechen, denn die Entscheidung läge letztendlich nicht bei mir.«
»Sie haben genug gesagt, und es war die Wahrheit.
Nur wenige Menschen wären so ehrlich, und nur wenige würden das Grab verteidigen wie Sie.«
»Das ist richtig«, warf ich ein, weil Emerson schwieg.
»Und du weißt genau, Emerson, daß wir gute Chancen auf Erfolg haben. Als
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