Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
Sorge, Vater«, schaltete sich Ramses ein. »Du denkst doch nicht etwa, dass ich meine hilflose, furchtsame kleine Frau allein nach El-Wasa gehen ließe?«
Nefret streckte Ramses die Zunge raus. Sie hatte solche kindischen Gesten nie ganz abgelegt. Und diese schien Ramses ausgesprochen zu amüsieren.
»Na dann.« Emersons Gesicht hellte sich auf. »Gut. Was ist mit dir, Peabody? Begleitest du sie?«
»Ich habe andere Pläne«, erwiderte ich und faltete meine Serviette.
Emersons Augen verengten sich zu saphirblauen Schlitzen. »Oh nein, das hast du nicht, Peabody. Du kommst mit mir. Oder«, setzte er rasch hinzu, »anders gesagt, ich komme mit dir.«
Die Kinder verließen uns, und ich bat Emerson, sich fertig anzukleiden. Da ich wusste, dass dieser Vorgang ihn eine Weile beschäftigen würde, sah ich nach, wie Sennia und ihr Gefolge zurechtkamen. Sie und Basima und Gargery – und der Kater – saßen noch beim Frühstück. Sennia hatte einen erstaunlichen Appetit für eine so kleine Person. Als sie mich sah, ließ sie ihre Toastscheibe fallen – die Marmeladenseite nach unten, rannte mit ausgebreiteten Armen auf mich zu und wollte wissen, wo wir an jenem Tag hingingen.
»Du und Gargery und Basima müsst euch heute ohne uns vergnügen«, erwiderte ich in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Der Rest von uns hat etwas zu erledigen. Ich schlage einen Museumsbesuch vor, aber vielleicht wollt ihr lieber eine Kutsche mieten und nach Gizeh fahren.«
»Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, Madam«, sagte Gargery, heftig blinzelnd, seine Stirn bedenklich in Falten gelegt. »Nach dem, was im letzten Jahr passiert ist –«
»Das war letztes Jahr, Gargery. Die für diesen Zwischenfall Verantwortlichen können uns nichts mehr anhaben.«
»Aber Madam! Sie wird den ver- den Kater mitnehmen wollen.«
Stirnrunzelnd blickte er zu Horus, der auf Sennias Stuhl saß und sich putzte. Horus revanchierte sich mit einem herablassenden Fauchen. Das können alle Katzen, Horus indes besser als die meisten anderen. Er hatte einen sehr großen Kopf und die dunklen Streifen in seinem Gesicht verliehen ihm etwas hässlich Groteskes.
»Sollen wir nach Atiyeh fahren?«, erkundigte sich Basima. »Die anderen Familienmitglieder werden die kleine Taube sehen wollen.«
»Und du ganz sicher deine Verwandtschaft.« Warum hatte ich daran nicht schon eher gedacht? Basima war eine zurückhaltende und zuverlässige Frau, die selten um irgendetwas für sich selber bat. In der Tat war dies eine fantastische Idee; das Dorf bei Kairo, wo ein Teil von Abdullahs Familie lebte, war nicht weit weg, und Sennia wäre unter ständiger Aufsicht von unzähligen, liebenswerten Freunden, die sie vor allem Ungemach beschützen würden. Ich erklärte mich einverstanden, und Gargery schloss sich mir unumwunden an. Keiner fragte Horus um seine Meinung.
»Wo geht Ramses hin?« Sennia blieb wie üblich hartnäckig.
»Irgendwohin, wo du ihn nicht begleiten kannst. Wir werden rechtzeitig zum Tee zurück sein.«
Ich ließ Sennia schmollend zurück. Gargery fingerte an einem Gegenstand in seiner Jackentasche herum, und ich hoffte, dass es keine Pistole wäre, obwohl ich das befürchtete. Er nahm seine Pflicht als Sennias Bewacher sehr ernst.
Nachdem ich Emerson eingesammelt, ihm Weste und Krawatte aufgeschwatzt und meine Bluse gewechselt hatte, auf der mehrere klebrige Fingerabdrücke prangten, verließen wir das Hotel. Den diensteifrigen Droschkenkutschern abwinkend, schlenderten wir entlang der Muski.
»Wohin gehen wir?«
»Warum so zurückhaltend, Peabody?«, wieherte Emerson. »Du willst in den Souk, oder etwa nicht, um die Antiquitätenhändler zu drangsalieren, zu piesacken und über Sethos auszuhorchen.«
»Ich dachte, ich könnte einigen Leuten ein paar Fragen stellen, das ist richtig. Wäre das nicht wünschenswerter, als die Kinder nach Einbruch der Dunkelheit durch die Stadt stromern zu lassen, mit Nefret als Ramses’ – äh – als sein – ähm –«
Emerson zuckte mit den Achseln. »Großer Gott, ja. Aber – aber es war ihr doch nicht Ernst damit, oder?«
»Oh doch, das war es.«
Es ist ein netter, erquickender Spaziergang vom Shepheard’s zum Khan el-Khalili, entlang der Muski und durch die alte Fatimidenstadt mit ihren Moscheen und Toren. Aber wie sich der Charakter der Stadt verändert hatte! Automobile und Motorräder fuhren in riskanten Schlangenlinien um Pferdedroschken und Eselkarren und Kamelkarawanen. Überall
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