Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
verabredeten Treffpunkt chauffieren und dort abstellen. Keine Ahnung, was damit geschehen sollte, und ich fragte auch nicht. Ich war nur glücklich, dieses Vehikel loszuwerden, denn ich hatte befürchtet, dass Emerson – und Selim – es behalten wollten. Das hätten sie auch leidenschaftlich gern, aber Emerson musste einräumen, dass es doch schwierig sei zu erklären, wie wir in seinen Besitz gelangt waren.
Die Terrasse war wie üblich gut gefüllt, und unser Auftauchen erregte eine ungebührliche Aufmerksamkeit, selbst bei Zeitgenossen, die unsere Aktivitäten wahrlich nichts angingen. Ich vernahm Mrs Pettigrews triumphierendes, an ihren Gatten gerichtetes Stimmorgan: »Da sind wieder diese Emersons, Hector, sie sehen noch schlimmer aus als sonst. Grauenvoll, solche Menschen kennen zu müssen.« Ich winkte ihr demonstrativ mit meinem Schirm.
Ihre Kritik war nicht ganz aus der Luft gegriffen: eine zweitägige Fahrt über Militärpisten ist nicht gerade förderlich für das äußere Erscheinungsbild, und unsere Garderobe wirkte zugegeben etwas fehl am Platz. Obwohl Ramses und Emerson arabisch gewandet, Nefret und ich in fürchterlich zerknitterter europäischer Kleidung und Esin in Schleier gehüllt als Nefrets Zofe das Hotel betraten, enthielten sich die hervorragend geschulten Mitarbeiter des Hotels jedes Kommentars, und es erstaunte mich auch nicht, dass unsere früheren Zimmer für uns reserviert waren. Man brachte uns das zurückgelassene Gepäck, sodass wir uns das erste Mal seit Tagen erfrischen und korrekt kleiden konnten. Wir fanden eine Reihe von Mitteilungen vor, die meisten von Cyrus oder Katherine, die sich erkundigten, wann wir nach Luxor zurückkehren würden. Sie wussten nichts Neues zu berichten, außer dass Jumana noch immer schmollte (Katherines Umschreibung) beziehungsweise trauerte (Cyrus’).
»Das Beste wird sein, wir nehmen den Zug morgen Abend«, schlug ich vor.
Emerson murrte. Er hatte nicht die erhoffte Nachricht vorgefunden.
»Warum diese Eile, Peabody? Ich dachte, du wolltest bummeln gehen und deinen üblichen gesellschaftlichen Exkurs unternehmen.«
»Einige Dinge müssen wir sicherlich besorgen«, räumte ich ein. »Aber das kann ich morgen erledigen. Was meinst du, Nefret? Möchtest du einen Abstecher ins Krankenhaus machen?«
Nefrets Blick war auf Ramses geheftet, der die letzte Ausgabe der Egyptian Gazette durchblätterte. »Vielleicht für eine Stunde oder so, Mutter, aber am liebsten würde ich umgehend nach Luxor zurückkehren. Ramses?«
»Mir ist alles recht«, lautete die Antwort.
»Verheimlicht Ramses uns irgendwas?«, erkundigte sich sein Vater, als wir allein waren. »Ich dachte, er wäre froh, zu seiner Arbeit zurückzukehren, aber er klang fast gleichgültig.«
»Ich bin froh, dass du sensibler gegenüber den Empfindungen deines Sohnes geworden bist, Emerson. In diesem Fall kann ich sie dir erklären.«
»Ich bitte darum«, meinte Emerson kühl.
»Er wollte nur Rücksicht auf die Belange anderer nehmen, in diesem Fall auf Nefret. Grundsätzlich glaube ich, dass er diese ganze Geschichte gern hinter sich lassen würde. Du weißt«, fuhr ich fort, während ich Kleidungsstücke für die Wäscherei aussortierte, »dass, wenn er in Aktion tritt, er Gefahr genießt. Er hat keine Zeit darüber nachzudenken, was er tut. Im Nachhinein, wenn er die Muße zur Reflexion hat, belastet ihn sein feinfühliges Gewissen, dass er die Anwendung von Gewalt befürwortet hat. Er ist –«
»Tut mir Leid, dass ich gefragt habe«, schnaubte Emerson. »Ich hätte wissen müssen, dass du ins Psychologische abdriftest. Wann willst du das Mädchen fortbringen? Bin mir nicht sicher, ob mir dieser Teil der Geschichte gefällt. Woher wissen wir, dass diese Halunken sie nicht schikanieren oder misshandeln?«
»Auch das bedrückt Ramses«, gestand ich. »Und wirf mir bitte nicht vor, dass ich mich der Psychologie bediene – du bist genauso sentimental wie Ramses, wenn es um das Mädchen geht. Ich jedenfalls bin froh, die Verantwortung loszuwerden. Allerdings darfst du sicher sein, dass ich sie nicht im Stich lasse, solange ich nicht weiß, ob sie in guten Händen ist. Morgen früh bringe ich Sie als Erstes nach Ismailija.«
Emerson begleitete uns nicht. Er fürchtete, dass Esin jammern und betteln werde. Ich auch, von daher unternahm ich nicht den Versuch, ihn umzustimmen. Ramses konnte ich allerdings nicht am Mitkommen hindern. Er hatte diesen eigensinnigen Zug um den Mund.
Esin trug
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