Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
längerem, dass wir für den Geheimdienst tätig sind, nicht wahr?«
»Man müsste schon ziemlich ignorant sein, Derartiges nicht wenigstens zu vermuten, Amelia. Mitten in einem Krieg, und wie Sie ständig auftauchen und ohne jede Erklärung wieder verschwinden, und Ihre Kenntnis von gewissen Gebieten …« Sein Blick glitt zu Ramses. »Nun, ich erkundige mich nicht nach Details. Ich hoffe nur, dass diese heikle Sache bald vorüber ist. Sie können nicht ständig Risiken eingehen, ohne mit dem Schlimmsten rechnen zu müssen, und im Ernstfall könnten wir nichts für Sie tun. Für keinen von euch.«
»Amen«, sagte Katherine.
»Äh-hm, richtig«, versetzte Bertie.
»Es ist vorbei«, erklärte Emerson, berührt von so viel freundschaftlicher Anteilnahme. »War verd- verzeihen Sie, Katherine – war verflixt unangenehm. Aber jetzt können wir wieder –«
»Nur noch eine Frage«, unterbrach Cyrus. »Sie müssen sie nicht beantworten, aber neugierig bin ich schon. War dieser so genannte Bettler jemand, den ich kenne?« Völlig perplex wandte Emerson sich Hilfe suchend an seine Frau. »Sie haben den Gentleman kennen gelernt, ja«, sagte sie beiläufig.
»Und er steht jetzt auf unserer Seite?«
»Aber ja. Cyrus, würden Sie mich für unhöflich halten, wenn ich gern einen Whisky-Soda hätte?«
Sie wirkte so selbstbewusst, dass ihr Sohn sich das Lachen verkneifen musste. Auf seine Mutter war Verlass –
sie schwindelte »nur wenn es absolut nötig war«, und diesmal hatte sie eigentlich die Wahrheit gesagt. Cyrus kannte Sir Edward Washington sehr gut, nur hatte er ebendiesen Gentleman nicht gemeint.
Natürlich meinte Emerson, mich kritisieren zu müssen, weil ich Selim dazu aufgefordert hatte, einen Haufen Lügen zu verbreiten, und Cyrus inkonsequenterweise mehr enthüllt hatte, als er für ratsam hielt. Während der Heimfahrt hatten wir deswegen einen herzerfrischenden kleinen Disput. Ich fühlte mich immer ein bisschen schuldig, wenn wir Cyrus im Unklaren ließen – falls dem so war. Er war ein intelligenter Mensch und kannte uns zu gut, um gewisse Impulse zu übersehen. Ich hatte ihm nicht mehr berichtet, als er ohnehin mutmaßte, und er war glücklich, dass wir ihn ins Vertrauen zogen.
Am nächsten Tag war er noch glücklicher, als er ein neues Grab entdeckte. Man konnte es kaum noch so nennen; die Opferkapelle war völlig zerstört und die Grabkammer leer – bis auf mehrere gut erhaltene Wandfresken.
»Das lenkt ihn für eine Weile vom Grübeln ab«, meinte Emerson zu mir. »Ein paar Tage wird er wohl brauchen, um es freizulegen und Pläne zu skizzieren. Jumana kann ihm assistieren.«
»Wie großzügig von dir«, bemerkte ich. »Sie geht dir auf die Nerven, was?«
»Sie quasselt zu viel. Als Trübsalbläserin hat sie mir fast besser gefallen. Was hast du mit ihr angestellt?«
»Nichts – bis auf diese übel schmeckende Medizin. Ich hoffe, da ist kein ernst zu nehmender –«
»Ernst zu nehmend, pah! Typisch, du schwörst wieder einmal Probleme herauf, wo gar keine sind.«
»Du hast Recht, Emerson«, gestand ich. »Ich bin diese ständige Besorgnis so gewöhnt, dass ich einfach nicht wahrhaben will, dass unsere Feinde gestellt und unsere Probleme gelöst sind.«
»Bis auf eins«, grummelte Emerson. »›Die Hand der Gottheit.‹ Welche Gottheit? Und wo?«
Sennia nahm an jenem Nachmittag den Tee mit uns ein und wusste so viel Aufregendes zu berichten, dass sie darüber die Kekse verschmähte. »Die Große Katze des Re hat eine Schlange gefangen!«
Wir alle schauten zu der Katze, die eine dieser unbequemen Yogapositionen eingenommen hatte, um ihr Fell zu putzen. Sie sah so grotesk aus, ein Bein in der Luft und das andere hinter dem Ohr, dass wir alle losprusteten.
»Eine sehr große Schlange?«, erkundigte sich Emerson.
»Nicht größer als so«, sagte Fatima und zeigte mit Daumen und Zeigefinger ungefähr zehn Zentimeter. »Aber sie lebt noch, Vater der Flüche, und ich weiß nicht, ob es heute Abend etwas zu essen geben wird, denn sie ist irgendwo in der Küche, und Maaman sagt –«
»Vermutlich ist sie längst geflüchtet«, beschwichtigte Emerson.
»Dann sag du es Maaman.« Unsanft stellte sie die Teekanne auf den Tisch. »Er sagt, er will nicht kochen.«
»Ach verflucht«, seufzte Emerson. »Schätze, ich muss was unternehmen, sonst kriegen wir kein Abendessen.«
»Nimm die Große Katze des Re mit«, schlug Sennia vor.
»Keine schlechte Idee«, sagte Emerson und hob die Katze auf.
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