Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
hatte, und konnte ihre gedrückte Stimmung durchaus nachvollziehen.
»Ich habe alles, was wir brauchen«, erklärte Selim. »Aber ich denke, dass du vor unserem Aufbruch noch mit Mohammed Hammad reden willst. Er ist hier.«
»Ah«, sagte Emerson. »Der gehörnte Bräutigam. Habt ihr ihm von unserer gestrigen Entdeckung erzählt?«
»Nein, Vater der Flüche«, erwiderte Selim so ergeben, wie man es diesem stattlichen jungen Mann mit dem langen schwarzen Bart kaum zugetraut hätte.
Emerson lachte laut auf und klopfte ihm auf den Rücken. »Gut. Es wird ein noch größerer Schock für ihn, wenn er es von mir erfährt.«
Mohammed Hassan war ein drahtiger kleiner Mann mit einem Gesicht, verschrumpelt wie eine Rosine, und einem ergrauten Bart. Wie die meisten ägyptischen Fellachen war er vermutlich jünger, als er aussah. Mangelernährung, unhygienische Lebensbedingungen und das Fehlen entsprechender medizinischer Versorgung lassen Menschen schneller altern. Nun, dachte ich bei mir, solche Fälle könnten Nefret interessieren und ihr ermöglichen, ihr medizinisches Fachwissen an dem Ort einzusetzen, wo sie meiner Meinung nach gut aufgehoben wäre – in einer Klinik am Westufer, um ganz gewöhnliche Erkrankungen wie Parasitenbefall und Infektionen zu behandeln. Keine sonderlich reizvolle Aussicht für eine ausgebildete Chirurgin, aber eins könnte zum anderen führen und …
Für den Augenblick verdrängte ich diese Erwägungen und konzentrierte mich auf unseren Verdächtigen. Damit rechnend, sich von Emerson einen Vortrag zum Thema Prinzessinnengrab anhören zu müssen, und fest entschlossen, alles abzustreiten, begrüßte er uns ziemlich reserviert. Emerson kam gleich zur Sache.
»Wir haben gestern einen deiner Freunde gefunden, in dem von euch geplünderten Grab. Tot. Ermordet.«
Es war eine wirkungsvolle, wenn auch etwas brutale Methode, um Mohammed zu einem Geständnis zu provozieren. Für Augenblicke glaubte ich, der arme Mann erlitte einen Schlaganfall oder einen Infarkt. Schließlich brachte er mühsam ein Wort heraus: »Wer …«
»Das müsstest du doch besser wissen als wir«, schnaubte Emerson. »Selim berichtet mir, dass man Abdul Hassan seit einer Woche nicht mehr gesehen hat. Er war einer von eurer … Hölle und Verdammnis«, fuhr er in Englisch fort. »Der kippt gleich aus den Latschen. Gib ihm einen Brandy, Peabody.«
Mohammed akzeptierte den Brandy (ein unverzichtbares Utensil an meinem Gürtel) mit einer Bereitwilligkeit, ungebührlich für einen guten Moslem (für den ich ihn nie gehalten hatte). Er war bereit zu reden; die Worte sprudelten nur so aus seinem Mund, und wir erfuhren eine erschreckende Geschichte.
Von den ursprünglichen Dieben waren zwei mittlerweile tot. Der andere Tote war einem Unfall zugeschrieben worden; der Leichnam war am Fuß der Klippen gefunden worden, und man mutmaßte, dass er gestürzt sei. »Der Fluch der Pharaonen.« Emerson konnte es einfach nicht lassen. »Tod denjenigen, die die Gräber schänden.«
Der Brandy hatte Mohammeds Nerven beruhigt. Er maß Emerson zynisch. »Die Pharaonen haben sich viel Zeit gelassen, Vater der Flüche. Abdul hat seit seiner Kindheit Gräber ausgeraubt.«
»Der raubt jetzt nichts mehr«, tönte Emerson. »Wer waren die anderen?«
Mohammed rasselte bereitwillig die Namen herunter. Sie waren allen im Dorf bekannt, auch den Rivalen in diesem Gewerbe, von daher war es sinnlos zu schweigen. Er verlangte freilich ein extra hohes Bakschisch für seine Gefälligkeit. »Das ist alles, was ich weiß, Vater der Flüche. Kann ich jetzt gehen?«
»Du hast mir nicht alles gesagt«, erwiderte Emerson. »Du hast mir sechs Namen genannt. Ihr wart aber sieben Leute, nicht wahr?«
»Er war keiner von uns«, murmelte Mohammed.
»Ich weiß, wer er war.«
»Der Vater der Flüche weiß alles«, bekräftigte Daoud.
Emerson quittierte diese Ehrbezeigung mit einem huldvollen Nicken und fuhr fort: »Hat Jamil das Grab aufgespürt?«
»Nein, wir alle haben es entdeckt! Wir haben mit ihm geteilt – wir waren großzügig.«
Mohammeds Stimme überschlug sich beinahe vor gespielter Entrüstung. Seine Behauptung war ganz offensichtlich eine Lüge. Jamil war kein ständiges Mitglied ihrer kleinen Bande; sie hätten nie mit ihm geteilt, hätte er nicht das Grab gefunden.
»Hast du ihn seitdem gesehen oder von ihm gehört?«, bohrte Emerson.
Berechnung, gepaart mit Furcht, verhärtete Mohammeds Züge. »Nein, Vater der Flüche.« Er presste die Hände
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