Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
für gewöhnlich mit ihnen gereist, aber die Große Katze des Re hatte sich heftigst dagegen gesträubt.
Sobald der Tee serviert wurde, beschloss er, über ihre Verfehlungen großzügig hinwegzusehen, und legte sich auf Ramses’ Füße. Immerhin gab es bisweilen Sandwiches mit Fischpastete.
Sie hatten sich wie üblich auf der Veranda eingefunden, um die perlmuttschimmernden östlichen Klippen im sanften Schein der untergehenden Sonne zu betrachten. Von Luxor funkelten bereits die ersten Lichter über den Fluss zu ihnen, der ausgedehnte Sandstreifen vor dem Haus war menschenleer bis auf die vereinzelten Schatten der Dorfbewohner, die von den Feldern kamen. Selbst die Zwillinge waren müde, nachdem sie mit dem Hund gespielt und jedes Zimmer inspiziert hatten, um sicherzustellen, ob auch alles an seinem angestammten Platz wäre. Herrlich, dieser Frieden in Luxor, überlegte Ramses und lächelte stillvergnügt. Ihre Ruhe war häufiger gestört worden, manchmal sogar gewaltsam.
Unvermittelt fiel ihm einer der notorischsten Unfriedensstifter ein. »Wo ist eigentlich Vater?«
Seine Mutter schenkte gerade den Tee ein. Sie reichte ihm eine Tasse, bevor sie erwiderte: »Er stahl sich – ich benutze absichtlich diesen Begriff – kurz nach unserer Ankunft aus dem Haus, obwohl ich ihn höflich darum gebeten hatte, doch vorher seine Unterlagen und Bücher einzusortieren. Keine Ahnung, wo er hinwollte.«
Ramses reichte die Tasse an Nefret weiter und ließ sich eine neue geben. »Dreimal darfst du raten«, grinste er.
Als Emerson wieder auftauchte, eine halbe Stunde zu spät für die Teezeit, glänzte er durch verblüffende Offenheit. »Na klar«, sagte er scheinheilig. »Ich war im Osttal, mich kurz umsehen.«
»Wonach?«, bohrte seine Frau.
»Ach, nicht der Rede wert, Peabody. Nichts Spezielles.«
»Ich nehme an, dass du morgen ins Westtal willst?«
»Wozu diese Eile?«, erkundigte sich der Professor, der es grundsätzlich eilig hatte. »Vandergelt ist erst in ein paar Tagen hier, und wir sollten uns auf jeden Fall mit ihm austauschen, bevor wir anfangen. Schließlich ist es seine Konzession.« Unter dem eindringlichen Blick seiner besseren Hälfte rutschte er unbehaglich auf dem Stuhl herum. »In der Zwischenzeit könnte ich mich doch mal darum kümmern, dass der Wagen repariert wird. Selim glaubt, den Schaden gefunden zu haben. Er hat bereits die entsprechenden Ersatzteile in Kairo gekauft. Das heißt, natürlich nur, wenn du nichts dagegen einzuwenden hast, mein Schatz.«
»Was sollte ich schon dagegen einzuwenden haben? Bis auf die nicht zu leugnende Tatsache, dass Selim kein Mechaniker ist, sondern unser Rais und damit zuständig für die Exkavationen, und den eher zu vernachlässigenden Aspekt, dass so ein fahrbarer Untersatz hier draußen ziemlich überflüssig ist.«
Das Automobil hatte von Anfang an für heftige Kontroversen zwischen den beiden gesorgt. Sie hatte natürlich Recht – es gab nur wenige befahrbare Straßen am Westufer, außerdem hatte der Professor absolut keine Ahnung von Autos, hielt sich aber irrwitzigerweise für höchst kompetent auf diesem Sektor. Sie hätte nicht übel Lust verspürt, mit ihm zu diskutieren. Die Wangen gerötet, fixierte sie ihn herausfordernd, aber Emerson ließ sich nicht provozieren.
»Ich sorg auch dafür, dass es unsere Arbeit ganz sicher nicht stört, Peabody. Im Übrigen, meine Liebe«, fuhr er mit einem ungemein gewinnenden Lächeln fort, »wir haben uns doch immer ein bisschen an unseren Lieblingsstätten umgesehen, ob es irgendwelche Neuerungen und Fortschritte gibt. Bist du denn überhaupt nicht neugierig, was es mit dem kleinen Areal auf sich hat, das Carter unbedingt freilegen will?«
»Schnöde Neugier gehört nicht zu meinen Charakterschwächen, Emerson. Aber da du fest entschlossen scheinst, möchte ich deinem Wissensdurst nicht im Wege stehen.«
Emerson zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Weißt du was, wir machen einen Ausflug. Mit den Kleinen. Ihr möchtet doch sicher das Tal der Könige wiedersehen, nicht wahr, meine Süßen?«
Er tätschelte Carlas Lockenkopf, eine Vertrautheit, die sie sich von niemand sonst gefallen ließ. Sie nickte eifrig, vermutlich, weil vor ihrem geistigen Auge ein prall gefüllter Picknickkorb aufblinkte, sinnierte ihr Vater. David John zeigte sich nicht minder begeistert von der Idee.
Am nächsten Morgen startete eine beeindruckende Karawane, die Kinder auf ihren geliebten Eselchen, die Erwachsenen zu Pferde. Nachdem
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