Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
arrangiert werden können, womöglich ist der sogenannte Code auch bloß eine Finte.«
Sie nahm den Hut ab und schob sich die verschwitzten Haare aus dem Gesicht. »Wieso sollte er sich die ganze Mühe machen?«
»Weil er es auf Carters Grab abgesehen hat.«
»An die Möglichkeit hab ich selbstverständlich auch schon gedacht.«
Ramses versagte sich einen unschönen Kraftausdruck. Ob seines Mienenspiels lächelte sie. »Mein lieber Junge, ich gestehe, ich neige dazu, im Nachhinein zu beteuern, ich hätte das alles schon vorher gewusst. Aber in diesem Fall überziehe ich wahrhaftig nicht. Das Zusammentreffen eines prachtvollen Funds mit dem unverhofften Besuch eines ehemaligen Antiquitätendiebs muss zwangsläufig argwöhnisch stimmen. Allerdings lassen gewisse Fakten Zweifel an dieser Theorie aufkommen. Der erste Überfall auf dich und deinen Vater beispielsweise fand lange vor Howards Entdeckung statt.«
»Sethos hat seine Informanten«, argumentierte Ramses. »Vater tippte darauf, dass dort ein Grab sei, und Sethos vermutlich auch.«
»Der Malariaschub ließ sich nicht planen.«
»Womöglich war das ein willkommener Zufall, sonst hätte eben ein anderer Vorwand für seinen Besuch herhalten müssen.«
»Klingt überzeugend.« Sie tätschelte seinen Arm. »Wenn du mich bitte entschuldigst. Cyrus kommt zum Tee.«
»Willst du ihn einweihen?«
»Wird doch höchste Zeit, oder?«
Sein Vater und Cyrus trafen in Begleitung von Suzanne ein. Ramses beschlich der leise Verdacht, dass seine Mutter das Mädchen in die Einladung nicht mit einbezogen hatte, trotzdem begrüßte sie den unerwarteten und unwillkommenen Gast mit ausgesuchter Höflichkeit. Und bot Suzanne geistesgegenwärtig an, sich vor dem Tee doch ruhig noch ein bisschen »frischzumachen«.
»Könnte mir auch nicht schaden«, grinste Nefret. »Kommen Sie mit, Suzanne. Ich glaube, Sie haben unser Haus noch gar nicht gesehen.«
»Bringt die Kleinen mit«, rief Emerson ihnen nach. Er sank in einen Polstersessel und streckte die Beine aus. »Das mit dem Tee hat Zeit, Peabody. Ich möchte einen Whisky-Soda.«
Kaum merklich die Stirn runzelnd, steuerte sie zur Tür und rief nach Fatima. Die Haushälterin tauchte so unvermittelt mit dem Tablett auf, dass Ramses annahm, sie hätte gelauscht. Das tat sie öfters, wenn Sethos zu Besuch war.
Etwas abseits von den anderen sitzend, war er ganz der zurückhaltende Außenstehende; ein mildes Lächeln auf den Lippen, fixierte er Emerson, als harrte er gehorsam dessen Anweisungen.
»Ich könnte auch einen vertragen«, erklärte Cyrus. »Ohne Soda. Also, was liegt an, Amelia? Suzanne sind Sie ja sehr elegant losgeworden; sie hatte sich mehr oder weniger selbst eingeladen. Legen Sie besser los, bevor sie zurückkehrt.«
Sie zog eine ihrer kleinen Listen aus der Rocktasche. »Wo soll ich anfangen«, sinnierte sie laut, während sie das Blatt überflog.
»Vielleicht lässt du mich anfangen«, erbot sich Sethos. Er hatte seine devote Haltung aufgegeben. »Cyrus weiß immerhin, was ich mache. Von daher wird es ihn auch keineswegs überraschen, wenn ich gestehe, dass ich bei meinem letzten Auftrag in Schwierigkeiten geriet. Ich … ähm … hab mir da ein gewisses Dokument ausgeborgt, an dem anscheinend etliche Leute interessiert sind. Und die sind mir seitdem auf den Fersen.«
Cyrus nickte. Seine Miene grimmig, waren seine wasserblauen Augen auf Sethos fixiert. »Sie haben den armen Nadji mit Ihnen verwechselt. Dacht’ ich mir’s doch. Und was steht in diesem unsäglichen Dokument?«
»Das ist ja das Problem«, erwiderte Sethos. »Es ist kodiert. Ich konnte es nicht lesen.«
»Also sind Sie hergekommen, obwohl Ihnen eine Bande von Rüpeln im Nacken saß.« Cyrus nahm das ihm von Emerson gereichte Glas in Empfang. »Ganz schön mies, auch noch Familie und Freunde mit hineinzuziehen.«
»Er hatte einen Malariaanfall«, sagte Ramses und fragte sich, wieso er seinen Onkel in Schutz nahm. »Und diese großen Unbekannten hätten so oder so bei uns nach ihm gesucht.«
Das war das Stichwort für seine Mutter. »Ramses hat Recht, Cyrus. Diese Leute kennen Sethos’ wahre Identität, was summa summarum bedeutet, dass sie auch um seinen Freundeskreis wissen. Und«, setzte sie hinzu, »wer seine Frau ist.«
»Grundgütiger«, entfuhr es Cyrus. »Sie wäre die perfekte Geisel, nicht wahr? Wo ist die Dame?«
Augenblicklich schossen sämtliche Blicke zu Ramses’ Mutter. Sie räusperte sich. »An einem sicheren Ort, Cyrus. Ich
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