Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seit du tot bist: Thriller (German Edition)

Seit du tot bist: Thriller (German Edition)

Titel: Seit du tot bist: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie McKenzie
Vom Netzwerk:
Kapitel 1
    Ich bin spät dran.
    Ich hasse das.
    Um fünf soll ich Art abholen, und jetzt ist schon Viertel vor.
    Ich hetze den Gang zum Lehrerzimmer hinunter. Die neue Zahlenkombination für die Tür weiß ich nicht mehr und muss draußen warten, bis mich ein anderer Dozent hereinlässt. Ich stopfe die übrig gebliebenen Fotokopien in meine Ablage und lege die Teilnehmerliste ins Fach. Ich bin auf dem Weg nach draußen, als Sami, Fachbereichsleiter Geisteswissenschaften, mich daran erinnert, dass meine Vorlesung morgen früh wegen Renovierungsarbeiten ausfällt. Ich versuche, mir das zu merken, stürze zur Eingangstür des Instituts hinaus und weiter, halb trabend, halb rennend, die Great Queen Street entlang bis zum Kingsway. Es ist grau und trübe, dicke Wolken verheißen Regen. Kein Taxi weit und breit. Zum Oxford Circus fährt natürlich auch die U-Bahn, aber seit den Bombenanschlägen im Juli 2005 nehme ich die U-Bahn nur noch, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. Aber schon vorher war mir der Bus lieber. Art hasst Busse. Sind ihm zu langsam.
    Ich stürme um die Ecke zur Haltestelle, navigiere dabei im Laufschritt um mehrere Stolperstellen im Gehsteig und eine Gruppe halbwüchsiger italienischer Touristen. Gottlob, auf der High Holburn rollt die Nummer acht gerade heran. Mit ihr kann ich bis zum Kaufhaus John Lewis fahren und dann zur Harley Street hinaufrennen.
    Im Bus drücke ich meine Oyster-Card auf den Sensor und lehne mich mit einem Seufzer an eine Stange. Eine Frau neben mir – jung, strähniges Haar – kämpft mit einem Baby in einem Buggy.
    »Setz dich hin, verdammt noch mal«, zischt sie. Sie ist so außer sich; ich drehe mich weg und gehe weiter nach hinten.
    Um Viertel nach fünf bin ich an der Klinik. Art wartet schon vor der Tür. Ich sehe ihn Sekunden, bevor er mich entdeckt – gepflegt, weltmännisch in seinem Anzug. Dunkelgrau. Paul Smith – sein Liebster. Einfach und stilvoll – dazu wie immer ein einfarbiges Hemd, Kragenknopf offen, keine Krawatte. Solche Sachen stehen ihm. Haben ihm immer gestanden. Er wendet den Kopf und sieht mich. Er ist abgespannt. Und gereizt. Ich erkenne das im Näherkommen daran, wie er die Braue hochzieht.
    »Ich bin spät dran. Tut mir leid.« Ich hebe den Kopf, und er küsst mich. Streift kurz meine Lippen.
    »Schon gut«, sagt er.
    In Wahrheit tut es mir eigentlich nicht leid, und er findet es auch nicht gut. Ich möchte eigentlich gar nicht hier sein, und Art weiß das auch.
    Ich folge ihm nach innen. Wir queren die Eingangshalle, und er streift sich das Jackett ab. Sein Hemd hat innen am Kragen ein kleines Loch. Sehen kann man es nicht, aber ich weiß, dass es da ist. Und an der Art, wie seine Arme steif herunterhängen, sehe ich, dass er sauer auf mich ist. Ich soll ein schlechtes Gewissen haben. Weil ich zu spät gekommen bin, und seine Zeit ist kostbar. Außerdem ist das hier für ihn genauso unangenehm wie für mich.
    Vor der Tür zum Wartezimmer bleibt er kurz stehen. Er dreht sich lächelnd zu mir um, was ihn bei seiner Laune offensichtlich große Anstrengung kostet. »Mr. Tamansini war eben da. Er ist froh, dass wir wieder hier sind.«
    »Hast du mit ihm gesprochen?« Ich bin überrascht; die Fachärzte verlassen während der Sprechstunden kaum einmal ihre Zimmer.
    »Er war zufällig gerade frei, als ich kam.« Art nimmt mich an der Hand und führt mich ins Wartezimmer. Typisch für dieses Ärzteviertel: eine Reihe harter Chintz-Sessel mit passender Couch. Ein offener Kamin mit Trockenblumen auf dem Sims, darüber ein geschmackloses modernes Gemälde. An den Wänden ringsum Diplome, Preise und Konzessionen, rahmenlos hinter Glas. Ich entdecke mich in einem Spiegel in der Ecke. Mein Pulli ist zerknautscht, und man könnte meinen, ich hätte das Haar seit einer Woche nicht mehr gebürstet. Zu lang ist es auch; der Pony hängt mir bis in die Augen, die trockenen Spitzen sind voller Spliss und stoßen unschön auf den Schultern auf. Vor Beths Geburt habe ich alle paar Monate nachschneiden und Strähnchen machen lassen. Ich ziehe den Pulli straff und streiche das Haar glatt. Meine Augen heben sich strahlend blau vom Rosa der Wangen ab, Dunkelrosa genau genommen, nach meinem Dauerlauf. Früher bin ich auch noch ins Fitnessstudio gegangen. Dazu fehlt mir jetzt die Kraft.
    »Er war pünktlich, aber weil du nicht da warst, haben sie das nächste Paar hereingerufen.« Er sagt das nur ein klein wenig vorwurfsvoll.
    Ich nicke noch einmal. Er streicht mir

Weitere Kostenlose Bücher