Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
gearbeitet hatten, begann Amelie zu zählen und legte ihre Stirn in Falten. »Weißt du was? Hier stehen schon mehr als sechzig Namen, darunter haufenweise Lenz und Co. Aber außer Leopold und Anna und uns sind keine Bartenbergs dabei. Du musst doch mehr Verwandte haben.«
»Muss ich?«, murmelte Daniel und liebkoste ihren Busen.
»Du musst«, beharrte Amelie. »Immerhin hat August der Ahne fünf Kinder gezeugt. Du kannst doch nicht die einzige Konsequenz seiner Bemühungen geblieben sein.«
Daniel drehte sich auf die Seite und zog Amelie an sich. »Einen gibt es tatsächlich noch«, seufzte er.
Zufrieden rieb sie ihren Rücken an seiner Brust. »Na bitte, wer sagt’s denn. Wieso kenne ich den noch nicht?«
»Du kennst ihn«, sagte Daniel ruhig. »Es ist Gregor Freytag.«
Sie brauchte ein paar Sekunden, um zu erfassen, was er gesagt hatte. Ihr Körper hörte auf, sich unter seinen Händen zu bewegen und wurde vor Anspannung starr, Amelie schien nicht mehr zu atmen. Auch Daniel hielt die Luft an und wartete, was sie tun würde.
»Du hast es gewusst«, wisperte sie schließlich. Er bewegte seinen Kopf, sie spürte, dass er nickte.
»Wieso, von wem!« Es klang so verzweifelt, dass Daniel sich das Lachen verbeißen musste.
»Liebling, wir sind in Wien, in dieser Stadt wissen alle alles über alle. Julius Hofeneder ist einmal bei dir im Laden gewesen, als Gregor hereinkam und gleich wieder ging. Julius hat ihn an der Stimme erkannt.«
Sie lag eine Weile still, dann setzte sie sich mit einem Ruck auf, sah zu Daniel herunter und sprudelte los: »Bitte hör mich an, ich will, dass du es weißt: Dieser Mensch war der größte Irrtum in meinem Leben. Er ist ein krankhafter Lügner, eine windige Existenz, und ich will ihn nie wiedersehen müssen, ich…«
Daniel haschte nach ihren Händen. »Amelie, hör mir zu, ich denke nicht daran, dich einer Begegnung mit Gregor auszusetzen. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen, wir hatten nie wirklichen Kontakt, er ist ja bloß ein Vetter zweiten oder dritten Grades.«
Amelie entzog ihm ihre Hände. »Ein Mensch wie er dürfte nicht dein Vetter sein. Wie kommt er dazu, dein Vetter zu sein?«, sagte sie patzig wie ein beleidigtes Kind. Daniel versuchte sachlich zu bleiben.
»Seine Großmutter Ida war eine Tochter von August dem Gründer. Sie heiratete einen Rittmeister von Freytag und hatte mit ihm eine Tochter namens Alma. Diese wiederum…«
»Ich weiß«, unterbrach ihn Amelie, »das arme Luder hatte das Pech, sich in einen berühmten italienischen Operntenor zu verlieben, der Gregors Vater wurde und Gregors Mutter nicht heiraten konnte, weil er schon verheiratet war.«
Daniel grinste. »Hast du das Märchen von Gregor? Er ist bekannt dafür, dass er lügt, sobald er den Mund aufmacht. Gregors Vater war weder berühmt noch Tenor, er war Sänger in einer drittklassigen Bar und verschwand auf immer, sobald er wusste, dass er Alma geschwängert hatte.«
»Ha«, machte Amelie, »so ein Lump. Na, wie der Vater, so der Sohn.« Sie verfiel in Schweigen, nagte an ihrer Unterlippe, schien zu überlegen und sah schließlich entschlossen auf Daniel nieder. »Hör mir zu! Ich will dir erzählen, warum ich auf ihn reingefallen bin. Es war nämlich sehr seltsam… weißt du, wie ich ihm begegnet bin?«
Aber Daniel wollte es nicht wissen. Er gab ihr einen Schubs, legte sich mit seinem ganzen Gewicht über sie und grinste. »Mutter meines Sohnes, lass die Bekennermiene und hör mir zu: Deine vorehelichen Erfahrungen interessieren mich nicht, schon gar, wenn du sie mit Gregor Freytag gewonnen hast. Ich liebe dich, wie du bist, egal auf welche Weise du so geworden bist. Vergiss Gregor, und lass uns nie wieder von ihm sprechen.«
August Bartenbergs Taufe wurde ein Fest, von dem man in Wien noch Monate später sprach.
An die hundert Gäste waren geladen. Der mit Bartenbergs befreundete Abt eines Stiftes im Waldviertel war eigens in die Stadt gekommen, um das Kind zu taufen. Nur wenige wussten, dass er eine Stunde vor Beginn des Festes Amelie und Daniel kirchlich getraut hatte.
Ab 11 Uhr strömten die Gäste ins Bartenberghaus, man war sich einig: Wann war es je festlicher gewesen?
Um 12 Uhr mittags betrat Anna Bartenberg den großen Salon. Sie hielt den Täufling im Arm. Er steckte in dem langen Spitzenkleid, welches wie die meisten Kostbarkeiten des Hauses durch Gabriele von Fechter an die Familie gekommen war. Hinter Anna und dem Baby tänzelte der Pate Uli, sichtlich darauf
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