Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra
Vom Netzwerk:
Zwölf Stunden davor
    Der riesige Plasmabildschirm im Büro des Direktors der NSA – der National Security Agency– erhellte sich im gleichen Moment, in dem die elektrischen Jalousien mit einem leisen Surren den Raum verdunkelten. Vor einem Mahagonischreibtisch wartete ein Mann in einem makellosen Anzug darauf, dass der allmächtige Michael Owen ihm erklärte, warum er ihn so eilig aus New York hatte anreisen lassen.
    » Colonel Allen«, begrüßte ihn der imposante Schwarze und durchbohrte ihn mit dem Blick. » Danke, dass Sie so schnell gekommen sind.«
    » Ich gehe davon aus, dass mir keine andere Wahl blieb, Sir«, antwortete der Agent.
    Nicholas L. Allen kannte sich bestens mit derartigen Situationen aus. Seit zwei Jahrzehnten bewegte er sich mit beachtlichem Geschick in dem Bürokratendschungel von Washington D. C., und immer wenn Direktor Michael Owen ihn in das Hauptquartier der NSA nach Fort Meade, Maryland, einbestellte, stand eine Krise bevor. Und zwar eine große Krise. Sofort anzureisen war da das Mindeste, was er tun konnte.
    » Sehen Sie, Colonel Allen«, sprach Owen weiter, während er sein Gegenüber nach wie vor ernst ansah, » vor sechs Stunden hat uns unsere Botschaft in Ankara einen Videoclip geschickt, den ich Ihnen zeigen möchte. Ich bitte Sie, auf jedes Detail zu achten und mir anschließend Ihre Meinung dazu zu sagen. In Ordnung?«
    » Selbstverständlich, Sir.«
    Nick Allen war für solche Situationen ausgebildet und wusste, dass er seinem Vorgesetzten ohne jeglichen Widerspruch zu gehorchen hatte. Er verkörperte den perfekten Soldaten: kräftige Statur, 1 , 80 Meter groß, mit einem kantigen, von mehreren hässlichen Kampfspuren überzogenen Schädel, und der Blick seiner blauen Augen konnte zwischen unendlicher Güte und gnadenloser Wut alles ausstrahlen. Gehorsam lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und wartete, bis die bunten Streifen auf dem Bildschirm verschwanden und die ersten Bilder erschienen.
    Angesichts dessen, was er dort zu sehen bekam, setzte er sich mit einem Ruck auf.
    In einem Raum mit fleckigen Wänden, von denen der Putz bröckelte, stand ein Mann mit gefesselten Händen, dessen Kopf von einer Kapuze verdeckt war. Man hatte ihn in einen dieser orangefarbenen Overalls gesteckt, die in den Bundesgefängnissen der USA als Häftlingskleidung verwendet werden. Doch die Personen, die sich um den Mann herum bewegten, sahen bei weitem nicht wie Amerikaner aus. Allen konnte zwei, vielleicht auch drei Gestalten in langen traditionellen Galabijas ausmachen, die ihre Gesichter unter schwarzen Sturmhauben verbargen. ›Grenzgebiet zwischen der Türkei und dem Iran‹, sagte sich Allen. ›Vielleicht Irak.‹ Gleich darauf erkannte Allen an den Wänden mehrere Parolen auf Kurdisch, und seine Einschätzung wurde bestätigt, als er die Männer sprechen hörte. Dafür, dass sie mit einer einfachen Kamera aufgezeichnet war, besaß die Aufnahme eine ziemlich gute Qualität. Vielleicht war auch mit einem Handy gefilmt worden. Ein weiterer Satz reichte Allen, um die Herkunft der Männer zu bestimmen. ›Grenzgebiet zu Armenien‹, war seine Schlussfolgerung. Zudem trugen zwei der Männer eine Kalaschnikow über der Schulter und am Gürtel die für diese Region typischen großen Messer mit gebogenen Klingen. Dass der Kameramann die Szene dirigierte, überraschte ihn nicht sonderlich. Auch nicht, dass er Englisch mit einem rauen Akzent sprach, den der Agent so oft im Nordosten der Türkei gehört hatte.
    » In Ordnung. Und jetzt sagen Sie, was Sie sagen müssen«, befahl der Mann der Geisel.
    Der Gefangene kam in Bewegung, sobald er bemerkte, dass kräftige Hände ihn am Nacken packten und brutal vor das Kameraobjektiv stießen, während man ihm die Kapuze herunterriss.
    » Los, sagen Sie es!«
    Der Mann auf dem Bildschirm taumelte. Er sah übel aus: unrasiert, strähnige Haare und ein verschmutztes, eingefallenes und von der Sonne verbranntes Gesicht. Leider war es nicht genauer zu erkennen. Die Lichtverhältnisse waren erbärmlich, vermutlich gab es dort nur eine einzige Glühbirne. Aber dennoch, irgendetwas kam Allen an dem Mann bekannt vor.
    » Im Namen der Armee zur Verteidigung des Volkes fordere ich die Regierung der Vereinigten Staaten auf, die Unterstützung für den türkischen Besatzer einzustellen«, sagte die Geisel in perfektem Englisch. Von den Gestalten hinter dem Mann kam Gebrüll.
    » Red weiter, du elender Hund!«
    Der Mann– Allen konnte ihn immer noch nicht

Weitere Kostenlose Bücher