American Gods
vibrierenden Motoren unruhig am Boden, wie voller Ungeduld, endlich aufzusteigen.
»Von wegen nett«, sagte der Mann im hellen Anzug. »Ich habe einen Job für Sie, Shadow.«
Die Motoren heulten auf. Das kleine Flugzeug zog ruckartig an, worauf Shadow in den Sitz zurückgedrückt wurde. Dann waren sie in der Luft, und die Lichter des Flughafens entschwanden langsam den Blicken. Shadow besah sich den Mann im Sitz neben ihm.
Die Haare waren rötlich grau; der Bart, nicht viel mehr als ein paar Stoppeln, gräulich-rot. Ein zerfurchtes rechteckiges Gesicht mit blassgrauen Augen. Der Anzug sah teuer aus und hatte die Farbe von zerschmolzenem Vanilleeis. Die Krawatte war aus dunkelgrauer Seide und die Krawattennadel ein in Silber gearbeiteter Baum: Stamm, Äste und lange Wurzeln.
Er hielt beim Abheben seinen Jack Daniel’s fest in der Hand und verschüttete nicht einen Tropfen.
»Wollen Sie mich gar nicht fragen, was für einen Job?«, fragte er.
»Woher wissen Sie, wer ich bin?«
Der Mann kicherte. »Oh, zu wissen, wie die Leute sich nennen, das ist das Leichteste von der Welt. Ein bisschen Nachdenken, ein bisschen Glück, ein bisschen Gedächtnis. Fragen Sie mich, was für einen Job.«
»Nein«, sagte Shadow.
»Warum nicht?«
»Ich fliege nach Hause. Dort wartet schon ein Job auf mich. Ich will keinen anderen.«
An dem zerklüfteten Lächeln des Mannes änderte sich äußerlich nichts, aber jetzt schien er sich tatsächlich zu amüsieren. »Zu Hause wartet kein Job auf Sie«, sagte er. »Da wartet gar nichts auf Sie. Ich dagegen biete Ihnen eine vollkommen legale Arbeit an – gutes Gehalt, begrenzte Sicherheit, außergewöhnliche Zulagen. Ach Gottchen, wenn Sie lange genug am Leben bleiben, kann ich auch noch eine Rentenversicherung draufpacken. Meinen Sie, dass Sie so was vielleicht gebrauchen könnten?«
»Sie müssen meinen Namen von dem Anhänger an meiner Tasche abgelesen haben«, sagte Shadow.
Der Mann sagte nichts.
»Wer immer Sie sein mögen«, sagte Shadow, »Sie konnten nicht wissen, dass ich dieses Flugzeug besteigen würde. Ich wusste selber nicht, dass ich dieses Flugzeug besteigen würde, und wenn meine Maschine nicht nach St. Louis umgeleitet worden wäre, hätte ich das auch nicht getan. Ich vermute, dass Sie jemand sind, der andere gerne hochnimmt. Vielleicht treiben Sie irgendeinen Schwindel. Na ja, es wäre wohl angenehmer für uns beide, wenn wir die Unterhaltung hier beenden.«
Der Mann zuckte die Achseln.
Shadow griff zur Bordzeitschrift. Das kleine Flugzeug ruckte und holperte durch die Lüfte, was es schwer machte, sich auf die Lektüre zu konzentrieren. Die Worte schwebten ihm wie Seifenblasen durch den Kopf, gegenwärtig noch, während er sie las, doch einen Augenblick später schon verschwunden.
Der Mann saß still im Sitz neben ihm, nippte hin und wieder an seinem Jack Daniels. Die Augen hielt er geschlossen.
Shadow ging die Liste der Musikkanäle durch, die auf transatlantischen Flügen an Bord zur Verfügung standen, dann betrachtete er die Weltkarte mit den roten Linien darauf, die anzeigten, wo die Fluggesellschaft überall hinflog. Dann hatte er die Zeitschrift durchgeblättert, schlug sie widerwillig zu und steckte sie zurück ins Fach.
Der Mann öffnete die Augen. Es ist etwas Merkwürdiges an diesen Augen, dachte Shadow. Das eine war von einem dunkleren Grau als das andere. Er sah Shadow an. »Übrigens«, sagte er. »Hat mir sehr Leid getan, das mit Ihrer Frau zu hören, Shadow. Ein großer Verlust.«
Im ersten Moment hätte Shadow den Mann beinahe geschlagen. Stattdessen holte er tief Luft. (»Wie gesagt, leg dich nicht mit diesen Flughafentussis an«, hörte er Johnnie Larch irgendwo in seiner Erinnerung sagen, »sonst haben sie dich am Arsch, so schnell kannst du gar nicht gucken.«) Er zählte bis fünf.
»Finde ich auch«, sagte er.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Wenn’s doch bloß auf andere Weise passiert wäre«, sagte er und seufzte.
»Sie ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen«, sagte Shadow. »Es gibt schlimmere Arten zu sterben.«
Der Mann schüttelte bedächtig den Kopf. Für einen Moment schien es Shadow, als wäre der Mann irgendwie körperlos; als wäre das Flugzeug plötzlich realer, sein Nachbar aber weniger real geworden.
»Shadow«, sagte er. »Das hier ist kein Witz. Es ist auch kein Trick. Ich kann Ihnen mehr zahlen, als Sie in jedem anderen Job, den Sie vielleicht finden, bekommen würden. Sie sind ein Exsträfling. Die
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