Handyman Jack 09 - Das Höllenwrack
1
Jack sah auf die Uhr: 2.30. Dads Maschine würde in einer Stunde landen.
»Ich sollte mich auf den Weg machen.«
Er und Gia saßen in der altmodischen Küche des Hauses Sutton Place Nr. 8 in einem der exklusivsten Viertel Manhattans. Die niedrig stehende Dezembersonne sorgte trotz der dunklen Schränke und Wandtäfelung in dem Raum für eine angenehm helle Atmosphäre.
Jack leerte seine Dose Yuengling Lagerbier. Vor ein paar Wochen hatte er per Zufall die älteste noch in Betrieb befindliche Brauerei des Landes sozusagen wiederentdeckt. Der Name weckte Erinnerungen an Sommernachmittage im Garten hinterm Haus, wo sein Vater oft gemütlich gesessen und sein Yuengling getrunken hatte, während er ihn mit kurzen, hohen Baseballwürfen in Trab hielt. Er hatte von dem Bier gekostet, und es hatte ihm derart gut geschmeckt, dass er es sofort zu seiner offiziellen Hausmarke machte. Natürlich war es damit auch gleichzeitig Gias Hausmarke geworden, da er stets darauf achtete, dass in ihrem Kühlschrank zu jedem Zeitpunkt mindestens ein Sechserpack bereitlag.
Gia schaute von ihrem Platz auf der anderen Seite des runden Eichentisches, an dem sie saß und eine Tasse Tee trank, auf die Pendeluhr.
»Er kommt doch erst in einer Stunde an. Du hast also noch ein wenig Zeit.« Sie lächelte ihn an. »Freust du dich, deinen Vater zu sehen, oder nicht? Bei dir ist das nämlich nicht so leicht auszumachen.«
Er starrte die große Liebe seines Lebens und Mutter seines ungeborenen Kindes an. Gia schien unter ihrer Schwangerschaft aufzublühen. Jack hatte geglaubt, das Sprichwort vom »Leuchten« werdender Mütter sei ein sentimentaler Aberglaube, aber seit Kurzem musste er diese Meinung revidieren: Keine Frage, Gia leuchtete. Ihr blondes Haar schien stärker zu glänzen, das Blau ihrer Augen war intensiver, ihr Lächeln wirkte strahlender als je zuvor. Sie trug noch immer den Warm-up-Dress, in dem sie ihre täglichen Spaziergänge unternahm. Obwohl sie sich am Ende des sechsten Monats befand, sah sie aus wie andere Frauen, die soeben ihren dritten Schwangerschaftsmonat beendeten. Das weit geschnittene Top verbarg die Wölbung ihres Bauchs, die aber auch in engerer Kleidung kaum zu erkennen war.
»Ich freue mich wirklich darauf. Und darauf, ihn dir und Vicky vorzustellen.«
Gia lächelte. »Ich kann es kaum erwarten, ihn kennen zu lernen. Seit deiner Floridareise hast so oft von ihm gesprochen. Davor konnte es einem vorkommen, als seist du als Waisenkind aufgewachsen.«
Ja, das Fiasko in Florida hatte alles verändert. Er und Dad hatten während seiner Kindheit ein sehr enges Verhältnis gehabt, waren jedoch während der letzten fünfzehn Jahre –wenn auch nicht vollständig, so doch zunehmend – auf Distanz zueinander gegangen. Die Ereignisse in Südflorida hatten dann ein neues Band zwischen ihnen geknüpft. Und Jack hatte gleichzeitig lernen müssen, dass er nicht der Einzige in der Familie war, der Geheimnisse hütete.
»Sosehr ich mich freue, ihn wiederzusehen, es ist mir doch viel lieber, ihn zu besuchen, als dass er zu mir kommt. So gibt es wenigstens kein Unterbringungsproblem.«
Gia starrte ihn mit großen Augen an. »Hat er etwa angenommen, dass er bei dir wohnt?«
Jack nickte. »Hm-hm.«
Sie unterdrückte ein Lachen. »Wie hast du ihm plausibel gemacht, dass niemand bei seinem Sohn wohnt?«
»Niemand außer dir.« Und das auch nur, wenn Vicky außer Haus übernachtete.
»Also, wie hast du es ihm beigebracht?«
»Ich erklärte ihm, meine Behausung sei zu eng und es sei dort einfach viel zu laut.« Er zuckte die Achseln. »Das war das Beste, was mir auf die Schnelle einfiel.«
Der Ferientrip seines Vaters hatte ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen. Dad hatte die Absicht gehabt, längst wieder in den Nordosten zurückgekehrt zu sein. Er hatte einen Käufer für sein Haus in Florida gefunden und einen unterzeichneten Kaufvertrag in Händen. Dann, eine Woche vor der endgültigen Abwicklung, fiel der Käufer tot um. Eine Rücksichtslosigkeit ohnegleichen.
Also musste Dad die Hütte aufs Neue anbieten. Er fand auch einen neuen Käufer, aber dieser Verkauf sollte erst Mitte Januar besiegelt werden.
Er wollte sich so rechtzeitig etabliert haben, dass er das Weihnachtsfest mit seinen Söhnen und Enkelkindern verbringen könnte. Da dies jedoch nicht möglich war, hatte er sich ganz spontan entschlossen, über die Feiertage in den Norden zu kommen. Zwei Wochen wollte er hier verbringen, um dann nach
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