Amerika
diesem Entschluß Dein Leben lang, nur dann war es ein männlicher Entschluß. Ich erwählte zum Überbringer dieser Nachricht Herrn Green, meinen besten Freund, der sicherlich für Dich schonende Worte genug finden wird, die mir im Augenblick tatsächlich nicht zur Verfügung stehen. Er ist ein einflußreicher Mann und wird Dich, schon mir zuliebe, in Deinen ersten selbständigen Schritten mit Rat und Tat unterstützen. Um unsere Trennung zu
begreifen, die mir jetzt am Schlusse dieses Briefes wieder unfaßlich scheint, muß ich mir immer wieder neuerlich sagen: Von Deiner Familie, Karl, kommt nichts Gutes. Sollte Herr Green vergessen, Dir Deinen Koffer und Deinen Regenschirm
auszuhändigen, so erinnere ihn daran. Mit besten Wünschen für Dein weiteres Wohlergehen
Dein treuer Onkel Jakob.«
»Sind Sie fertig?« fragte Green.
»Ja«, sagte Karl.
»Haben Sie mir den Koffer und den Regenschirm
mitgebracht?« fragte Karl.
»Hier ist er«, sagte Green und stellte Karls alten Reisekoffer, den er bisher mit der linken Hand hinter den Rücken versteckt hatte, neben Karl auf den Boden.
»Und den Regenschirm?«, fragte Karl weiter.
»Alles hier«, sagte Green und zog auch den Regenschirm
hervor, den er in einer Hosentasche hängen hatte. »Die Sachen hat ein gewisser Schubal, ein Obermaschinist der ›Hamburg-Amerika-Linie‹ gebracht, er hat behauptet, sie auf dem Schiff gefunden zu haben. Sie können ihm bei Gelegenheit danken.«
»Nun habe ich wenigstens meine alten Sachen wieder«, sagte Karl und legte den Schirm auf den Koffer.
»Sie sollen aber in Zukunft besser auf sie achtgeben, läßt Ihnen der Herr Senator sagen«, bemerkte Herr Green und fragte dann, offenbar aus privater Neugierde: »Was ist das eigentlich für ein merkwürdiger Koffer?«
»Es ist ein Koffer, mit dem die Soldaten in meiner Heimat zum Militär einrücken«, antwortete Karl, »es ist der alte Militärkoffer meines Vater. Er ist sonst ganz praktisch«, fügte er lächelnd hinzu, »vorausgesetzt, daß man ihn nicht irgendwo stehen läßt.«
»Schließlich sind Sie ja belehrt genug«, sagte Herr Green,
»und einen zweiten Onkel haben Sie in Amerika wohl nicht. Hier gebe ich Ihnen noch eine Karte dritter Klasse nach San
Franzisko. Ich habe diese Reise für Sie beschlossen, weil erstens die Erwerbsmöglichkeiten im Osten für Sie viel besser sind und weil zweitens hier in allen Dingen, die für Sie in Betracht kommen könnten, Ihr Onkel seine Hände im Spiele hat und ein Zusammentreffen unbedingt vermieden werden muß. In Frisko können Sie ganz ungestört arbeiten; fangen Sie nur ruhig ganz unten an und versuchen Sie, sich allmählich hinaufzuarbeiten.«
Karl konnte keine Bosheit aus diesen Worten heraushören, die schlimme Nachricht, welche den ganzen Abend in Green
gesteckt hatte, war überbracht, und von nun an schien Green ein ungefährlicher Mann, mit dem man vielleicht offener reden konnte als mit jedem anderen. Der beste Mensch, der ohne
eigene Schuld zum Boten einer so geheimen und quälenden
Entschließung auserwählt wird, muß, solange er sie bei sich behält, verdächtig scheinen. »Ich werde«, sagte Karl, die Bestätigung eines erfahrenen Mannes erwartend, »dieses Haus sofort verlassen, denn ich bin nur als Neffe meines Onkels aufgenommen, während ich als Fremder hier nichts zu suchen habe. Würden Sie so liebenswürdig sein, mir den Ausgang zu zeigen und mich dann auf den Weg zu führen, auf dem ich zur nächsten Gastwirtschaft komme?«
»Aber rasch«, sagte Green. »Sie machen mir nicht wenig
Scherereien.«
Beim Anblick des großen Schrittes, den Green gleich gemacht hatte, stockte Karl, das war doch eine verdächtige Eile, und er faßte Green unten beim Rock und sagte in einem plötzlichen Erkennen des wahren Sachverhaltes: »Eines müssen Sie mir
noch erklären: auf dem Umschlag des Briefes, den Sie mir zu übergeben hatten, steht bloß, daß ich ihn um Mitternacht
erhalten soll, wo immer ich angetroffen werde. Warum haben Sie mich also mit Berufung auf diesen Brief hier zurückgehalten, als ich um viertel zwölf von hier fort wollte? Sie gingen dabei über Ihren Auftrag hinaus.«
Green leitete seine Antwort mit einer Handbewegung ein,
welche das Unnütze von Karls Bemerkung übertrieben darstellte, und sagte dann: »Steht vielleicht auf dem Umschlag, daß ich mich Ihretwegen zu Tode hetzen soll, und läßt vielleicht der Inhalt des Briefes darauf schließen, daß die Aufschrift so aufzufassen ist? Hätte
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