Amerika
Liftjunge mit anliegenden Hosen und einem, trotz der bestimmten gegenteiligen Zusicherung des Meisters, sehr beengenden Jäckchen, das immer wieder zu
Atemübungen verlockte, da man sehen wollte, ob das Atmen
noch immer möglich war.
Dann meldete er sich bei jenem Oberkellner, unter dessen
Befehl er stehen sollte, einem schlanken, schönen Mann mit großer Nase, der wohl schon in den Vierzigern stehen konnte. Er hatte keine Zeit, sich auch nur auf das geringste Gespräch einzulassen, und läutete bloß einen Liftjungen herbei, zufällig gerade jenen, den Karl gestern gesehen hatte. Der Oberkellner nannte ihn nur bei seinem Taufnamen Giacomo, was Karl erst später erfuhr, denn in der englischen Aussprache war der Name nicht zu erkennen. Dieser Junge bekam nun den Auftrag, Karl das für den Liftdienst Notwendige zu zeigen, aber er war so scheu und eilig, daß Karl von ihm, so wenig auch im Grunde zu zeigen war, kaum dieses Wenige erfahren konnte. Sicher war Giacomo auch deshalb verärgert, weil er den Liftdienst offenbar Karls halber verlassen mußte und den Zimmermädchen zur
Hilfeleistung zugeteilt war, was ihm nach bestimmten
Erfahrungen, die er aber verschwieg, entehrend vorkam.
Enttäuscht war Karl vor allem dadurch, daß ein Liftjunge mit der Maschinerie des Aufzuges nur insoferne etwas zu tun hatte, als er ihn durch einen einfachen Druck auf den Knopf in Bewegung setzte, während für Reparaturen am Triebwerk derartig
ausschließlich die Maschinisten des Hotels verwendet wurden, daß zum Beispiel Giacomo trotz halbjährigem Dienst beim Lift weder das Triebwerk im Keller, noch die Maschinerie im Innern des Aufzuges mit eigenen Augen gesehen hatte, obwohl ihn
dies, wie er ausdrücklich sagte, sehr gefreut hätte. Überhaupt war es ein einförmiger Dienst und wegen der zwölfstündigen Arbeitszeit, abwechselnd bei Tag und Nacht, so anstrengend, daß er nach Giacomos Angaben überhaupt nicht auszuhalten
war, wenn man nicht minutenweise im Stehen schlafen konnte.
Karl sagte hiezu nichts, aber er begriff wohl, daß gerade diese Kunst Giacomo die Stelle gekostet hatte.
Sehr willkommen war es Karl, daß der Aufzug, den er zu
besorgen hatte, nur für die obersten Stockwerke bestimmt war, weshalb er es nicht mit den anspruchsvollsten reichen Leuten zu tun haben würde. Allerdings konnte man hier auch nicht so viel lernen wie anderswo und es war nur für den Anfang gut.
Schon nach der ersten Woche sah Karl ein, daß er dem Dienst vollständig gewachsen war. Das Messing seines Aufzuges war am besten geputzt, keiner der dreißig anderen Aufzüge konnte sich damit vergleichen, und es wäre vielleicht noch leuchtender gewesen, wenn der Junge, der bei dem gleichen Aufzug diente, auch nur annähernd so fleißig gewesen wäre und sich nicht in seiner Lässigkeit durch Karls Fleiß unterstützt gefühlt hätte. Es war ein geborener Amerikaner, namens Renell, ein eitler Junge mit dunklen Augen und glatten, etwas gehöhlten Wangen. Er hatte einen eleganten Privatanzug, in dem er an dienstfreien Abenden leicht parfümiert in die Stadt eilte; hie und da bat er auch Karl, ihn abends zu vertreten, da er in
Familienangelegenheiten weggehen müsse, und es kümmerte
ihn wenig, daß sein Aussehen allen solchen Ausreden
widersprach. Trotzdem konnte ihn Karl gut leiden und hatte es gern, wenn Renell an solchen Abenden vor dem Ausgehen in
seinem Privatanzug unten beim Lift vor ihm stehenblieb, sich noch ein wenig entschuldigte, während er die Handschuhe über die Finger zog, und dann durch den Korridor abging. Im übrigen wollte ihm Karl mit diesen Vertretungen nur eine Gefälligkeit machen, wie sie ihm gegenüber einem älteren Kollegen am
Anfang selbstverständlich schien, eine dauernde Einrichtung sollte es nicht werden. Denn ermüdend genug war dieses ewige Fahren im Lift allerdings und gar in den Abendstunden hatte es fast keine Unterbrechung.
Bald lernte Karl auch die kurzen, tiefen Verbeugungen
machen, die man von den Liftjungen verlangt, und das Trinkgeld fing er im Fluge ab. Es verschwand in seiner Westentasche, und niemand hätte nach seinen Mienen sagen können, ob es groß oder klein war. Vor Damen öffnete er die Tür mit einer kleinen Beigabe von Galanterie und schwang sich in den Aufzug langsam hinter ihnen, die in Sorge um ihre Röcke, Hüte und Behänge zögernder als Männer einzutreten pflegten. Während der Fahrt stand er, weil dies das unauffälligste war, knapp bei der Tür, mit dem Rücken zu seinen
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