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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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verlassen; nur das Vertraute, das Eigene, die Nation zählen noch.
    Alle Sozialstatistiken und soziologischen Untersuchungen lassen eines deutlich erkennen: Die amerikanischen Konservativen haben allen Grund zur Sorge. Zum Beispiel, wenn es um ihr Lieblingsthema Familie geht. In den dreißiger Jahren wurde jedes zehnte Kind unehelich geboren, 2008 waren es vier von zehn, der höchste je erreichte Wert. Die Mehrheit der Amerikaner hat nichts gegen Familien mit einem alleinerziehenden Elternteil einzuwenden, drei Viertel haben keine moralischen Bedenken gegen Scheidungen. Das kann auch nicht anders sein: Ein Drittel der nicht unverheiratet gebliebenen erwachsenen Amerikaner sind mindestens einmal geschieden worden – und das gilt auch für evangelikale Christen.
    1960 galt das Zusammenleben ohne Trauschein noch als moralisch bedenklich, im Jahr 2000 wohnte die Hälfte der heiratswilligen amerikanischen Paare vor der Hochzeit zusammen. Auch die Bedeutung von Kirche und Religion nimmt ab, allem salbungsvollen Gerede zum Trotz: Die Anzahl derer, die sich einen stärkeren Einfluss der Religion auf die Gesellschaft wünschen, ist seit 2001 um ein Fünftel gesunken, dagegen ist die Zahl derjenigen, die diesen Einfluss beschränken möchten, um die Hälfte gestiegen.
    Die Unterschiede sind allerdings groß, wenn man das Bildungsniveau, das Einkommen, den Wohnort und die ethnische Herkunft berücksichtigt. Auch in der Zeit um 1960 gab es natürlich arme und reiche Wohnviertel, aber die Ungleichheit war längst nicht so ausgeprägt wie ein halbes Jahrhundert später. Außerdem bestand früher nicht unbedingt ein direkter Zusammenhang zwischen Einkommensdifferenzen und Unterschieden in der Lebensweise: Fast alle Männer zwischen 30 und 49 Jahren, ob arm oder reich, waren berufstätig, Familien verschiedener Einkommensklassen bewohnten häufig dieselben Stadtviertel, die »Lebensentwürfe« unterschieden sich im Allgemeinen nicht besonders.
    Doch das hat sich vollkommen verändert. Die amerikanische Gesellschaft besteht inzwischen aus verschiedenen sozialen »Stämmen«, die sich auseinanderentwickelt haben; dieser Prozess ist weiter fortgeschritten als in Westeuropa. Soziologen beobachten das Entstehen sogenannter SuperZIPs , reicher Enklaven im Umland fast aller Metropolen, von Chicago und New York bis Houston, Los Angeles und Seattle; der Begriff ist abgeleitet vom ZIP Code, dem amerikanischen Postleitzahlencode. Wer in einem SuperZIP geboren wurde, besucht in der Regel auch dort die Schule, wird in einem SuperZIP heiraten und eine Familie gründen und wahrscheinlich auch den Rest seines Lebens in diesem oder einem ähnlichen Viertel verbringen. Hier leben etwa 20 Prozent der amerikanischen Bevölkerung. Während bei ihnen 7 Prozent der Kinder unehelich zur Welt kommen, sind es bei den ärmsten drei Zehnteln der Bevölkerung 45 Prozent. In jeder Hinsicht stehen die Bewohner der SuperZIPs besser da: Das Bildungsniveau ist höher, die Beschäftigungsrate ebenfalls, die Kriminalität geringer, die Familien stabiler. Nicht alle Bewohner der wohlhabenden Enklaven zählen zu den liberals , in vielen SuperZIPs wählt die Mehrheit republikanisch. Die meisten haben jedoch den Kontakt zu den Durchschnittsamerikanern verloren.
    Im Jahr 2008 erschien eine provozierende Studie mit dem Titel Red Families v. Blue Families. Darin formulieren die Autoren die mit einer Reihe von Statistiken untermauerte These, dass die gutsituierte Mittelschicht, Blue America (wegen der blauen Farbe der Demokratischen Partei), nach der sexuellen Revolution der sechziger Jahre ein neues Gleichgewicht gefunden habe. Viele Blue Americans hätten eine unkonventionelle Lebenseinstellung, heirateten eher spät und bekämen weniger Kinder als Amerikaner mit traditionellen Vorstellungen; sie arbeiteten jedoch hart, und es gebe in dieser Gruppe relativ wenig Scheidungen und uneheliche Geburten. Glaubt man den Statistiken, leben diese Blue Americans also trotz ihrer freiheitlichen Ansichten eher nach traditionellen Normen als die übrigen Amerikaner.
    Denn Red America (nach der roten Farbe der Republikanischen Partei) trete auf der Stelle; es halte krampfhaft die alten Normen und Werte hoch, doch zu seiner chaotischen Lebenswirklichkeit gehörten frühe Ehen, zahlreiche Scheidungen und immer mehr uneheliche Kinder. Die Ansichten der Konservativen, zum Beispiel die Ablehnung von Abtreibung und Empfängnisverhütung und die unrealistische Forderung nach Enthaltsamkeit,

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