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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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Truthahnfarm, aber am nächsten Tag, so zeigt ein Brief, hat er in Frazee, Minnesota, wirklich auf einem Trucker-Rastplatz mitten im Truthahnland kampiert: »Direkt unter dieser Anhöhe ist der Boden schwarz von ihnen.«
    Er ist dann vierhundert Meilen weiter.
    Diese vierhundert Meilen machen mich etwas nervös. Auch wenn Steinbeck den Norden von Illinois als »gepflegtes Land mit fruchtbaren Feldern und prächtigen Bäumen« rühmt und dann von der Schönheit Wisconsins schwärmt, lassen die zurückgelegten Entfernungen nur einen Schluss zu: Er hat hinter Chicago wieder aufs Tempo gedrückt, und wie! In Die Reise mit Charley gibt es eine Stelle, die den Grund erahnen lässt: Nach dem Abschied von Elaine habe er wieder »die gleiche triste Einsamkeit wie beim ersten Mal durchmachen« müssen, nicht weniger schmerzlich als am Anfang der Reise. »Gegen die Einsamkeit scheint es kein anderes Mittel zu geben als das Alleinsein.«
    Das Wochenende in Chicago ist in mehrfacher Hinsicht ein Wendepunkt in seinem Buch. Schon die Tatsache, dass Steinbeck mit der Ankunft in Chicago die Mitte des Berichts erreicht, während dort in Wirklichkeit noch zwei Drittel der Strecke vor ihm lagen, verrät seine zunehmende Hast.
    Auch die Perspektive ändert sich. Vor Chicago nimmt Steinbeck sich noch Zeit für persönliche Begegnungen, nach Chicago richtet sich seine Aufmerksamkeit vor allem auf die Landschaft. Amerika als Nation und vor allem die Amerikaner interessieren ihn immer weniger. »John fühlte sich auf dieser Reise bald schrecklich einsam«, hat Elaine Jahre später Steinbecks zweitem Biographen, Jay Parini, gesagt. »Das war das größte Problem, glaube ich, auch wenn das im Buch nicht so deutlich herauskommt. Er hatte die ganze Zeit Heimweh.«
    Der Brief, den er aus Mauston, Wisconsin, an Elaine geschrieben hat, spiegelt sein Gefühlsdurcheinander wider. Er möchte unbedingt nach Fargo, North Dakota – hauptsächlich deshalb, weil diese Stadt auf Karten der Vereinigten Staaten, wenn man sie in der Mitte faltet, genau im Falz liegt. »Vielleicht ist diese ganze Reise genauso töricht«, meint er. Und noch einmal bekennt er sich zu seinen sehr persönlichen Gründen für sein Abenteuer – vielleicht, weil Elaine und er über dieses Thema auch in Chicago wieder gesprochen haben: Er will auf keinen Fall so werden wie viele amerikanische Männer ab einem gewissen Alter, die sich nach einer ernsthaften Krankheit lieber »in Watte packen« und »allseits umsorgen« lassen, wie er es in Die Reise mit Charley ausdrückt. Er möchte seiner Frau beweisen, dass er Karten lesen, einen Truck fahren und viele andere Herausforderungen meistern kann und dass er die Einsamkeit erträgt wie sie selbst.
    » I’m still a man «, schreibt er . » Damn it! «
    Wir übernachten im Days Inn in Black River Falls, Wisconsin, neben einer truck rest area , einem dieser Raststättenparkplätze für Lastwagen, auf denen Steinbeck seine Rosinante abstellte. Hier stehen sechs einsame Trucks. Ein kalter Wind kommt auf, die meisten Fahrer lassen den Motor laufen, während sie im All-you-can-eat -Restaurant ( $ 9,99 ) ihren Hunger stillen.
    Steinbeck beschrieb die Fernfahrer, denen er unterwegs begegnete, als »ein besonderes Völkchen abseits des gewöhnlichen Lebens«. Sie machten in der Regel nur an bestimmten Raststätten Halt, deren Tankwarte und Kellnerinnen sie kannten und in denen sie regelmäßig andere Fernfahrer trafen. »Sie sind wie ein Clan, sie bleiben gern unter sich und sprechen eine eigene Sprache.« Dennoch empfand er sie als freundlich und hilfsbereit, selbst gegenüber Fremden wie ihm.
    Auch heute noch scheinen die Fernfahrer, die wir in den Raststätten antreffen, eine Art Clan zu bilden. Sie sitzen zusammen, lachen viel, jedes bekannte Gesicht wird jubelnd begrüßt; es sind vor allem Männer, manchmal sieht man aber auch Paare, die sich wohl gemeinsam für dieses unstete Leben entschieden haben, als die Kinder aus dem Haus waren.
    »Unternehmerehepaar verkauft Druckerei, um die Vereinigten Staaten vom Truck aus zu sehen«, titelt The Trucker , das Leib- und Magenblatt der Fernfahrer – auch sie wurden als Zielgruppe entdeckt –, und dieses Paar ist kein Einzelfall.
    Fernfahrer sind gefragt, die Zeitschrift ist voller verlockender Stellenangebote: Southern Refrigerated Transport wirbt mit 99 Prozent no-touch freight bei einem Durchschnitt von 1200 Meilen pro Fahrt; CRST bietet bei Einstellung einen Bonus von 1000 Dollar; Con-way

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