Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)
ist abgeschlossen. Folglich werden wir uns, wie Millionen Amerikaner auch, vom Fernseher erbauen lassen müssen, etwas anderes bleibt uns nicht übrig. Also lauschen wir zunächst eine halbe Stunde lang Joyce Meyer, einer Fregatte von einer Predigerin mit scharf geschnittenen Mundwinkeln, die nur eine Botschaft ausstrahlt: »Leg dich nie, nie, nie mit mir an.« Sie spricht vom »Schlachtfeld des Geistes«, Worte wie »Sünde« und »Friede« prasseln auf uns herab, und man muss sich entscheiden, jetzt und hier, zwischen einem guten und einem schlechten Leben, zwischen Himmel und Hölle.
Auf die Predigt folgt eine minutenlange Werbung für das Buch The Battlefield of the Mind . Eine sinnvolle Anschaffung, wie man uns versichert, lernt man doch mit seiner Hilfe die Flecken des Bösen von seiner Seele zu waschen. Man bekommt das Buch und eine fromme CD geschenkt, wenn man der Gottesfirma von Joyce Meyer 90 Dollar oder mehr überweist. Ich klicke schnell mal auf ihre Website. Nichts als Kaufangebote und Bibeltexte. Die amerikanische Version von Lourdes.
Schnell rüber zur Lakewood Church in Houston zu » A Night of Hope with Joel and Victoria «. Lieber Himmel, ein ganzes Stadion voller Menschen! Und was ist dieser Joel für ein unsympathischer Kerl mit seinem glatten schwarzen Haar, dem schicken Anzug, dem lila Schlips und den schnellen Augen. Er predigt über Wunder. »Wer Worte des Glaubens spricht, kann Berge versetzen«, das ist das Thema, das er ständig wiederholt. Er erzählt die Geschichte von einer Mutter mit Krebs im Endstadium. »Sie ging nach Hause, betete und sprach zum Krebs: ›Geh fort aus mir.‹« Ich notiere rasch, was Joel alles behauptet. »Sag: Geh fort, Krankheit. Und die Krankheit wird weichen. Geht fort, irdische Sorgen. Und die Sorgen werden weichen. Es kann dauern, es passiert nicht einfach so. In dem Augenblick, wenn ihr im Namen von Jesus oder Gott sprecht, geschieht etwas in der nicht sichtbaren Welt des Himmels. Gott schickt seine Engel. Gott tut für dich auf eine übernatürliche Weise, was du für dich selbst nicht tun kannst.«
Meine Eltern waren gute und gläubige Menschen, und dazu gehörte auch ihr Vertrauen in die Kraft des Gebets. Ich denke manchmal, dass diese Gewissheit sie durch Krieg und Konzentrationslager gebracht hat. Niemals werde ich das Beten verspotten. Doch hier geschieht etwas, das mir ganz und gar nicht gefällt. Das stinkt nach Geschäftemacherei und Magie. Und zahllose Amerikaner lassen sich davon blenden, jeden Sonntag aufs Neue.
Ich erinnere mich noch daran, wie ich vor Jahren in Kalifornien an einem Sonntag beim Zappen bei einem massenhaft besuchten Gottesdienst gelandet bin, in dem der Pastor eine kurze, aber feurige Predigt über Markus 10, Vers 29 hielt, die auf Folgendes hinauslief: »Gebet, und euch wird hundertfach zurückgegeben werden.« Es wurden Lieder gesungen, bevor der Pastor, umgeben von vier swingenden Damen, die Zuschauer dazu aufrief, jeweils 10 Dollar und 29 Cent auf das Konto seiner Kirche zu überweisen. Innerhalb eines Monats würden sie auf wundersame Weise das Hundertfache zurückerhalten. Die Damen bestätigten eine nach der anderen seine Prophezeiung. Wieder Lieder, Orgelspiel, Ekstase. Die Kirche stand irgendwo in Florida, aber was hier geschah, war reine Magie.
Positive Megakirchen sind der neue Trend. Dem Hölle-und-Verdammnis-Prediger, den Steinbeck in Vermont hörte, begegnet man nicht mehr oft. Selbst ein Kreuz findet man kaum noch. Die Heilsbotschaft ist heute rein materialistisch: »Du kannst ein neues Auto bekommen, denn ein Gott, der seine Kinder liebt, wird ihnen geben, was sie haben wollen.« Normalerweise hat eine solche Megakirche mindestens zweitausend Besucher, aber es gibt heute schon etwa fünfzig »Kirchen« mit einem Fassungsvermögen von zehn- bis fünfzehntausend Menschen. Um Vergebung und Gnade wird hier nicht gebeten; der Wortgottesdienst erinnert eher an quengelnde Kinder auf einer Geburtstagsparty: » I want my stuff – RIGHT NOW! « Und dann folgt ein Chor von Stimmen: »YEAH, I WANT MY STUFF RIGHT NOW, TOO! «
In der Zeit von 2001 bis 2006 verdoppelte sich die Zahl derartiger Gotteshäuser auf gut 1200 mit insgesamt etwa 4,4 Millionen Kirchenbesuchern. Die Reichweite der neuen Heilsbotschaft ist jedoch viel größer. Evangelikale Prediger wie Robert Schuller und Oral Roberts verkünden schon seit den fünfziger Jahren das üppige Leben des » prosperity gospel «. Schuller wurde mit der Hour of Power
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