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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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bereitete, wurde er zum großen Vorbild für eine Reihe von Präsidenten, die nach ihm kamen. Für seinen entfernten Verwandten Franklin D. Roosevelt war er – »Uncle Teddy« – die wichtigste Inspirationsquelle, und das gilt, direkt und indirekt, auch für John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson in den sechziger Jahren, für Ronald Reagan in den achtziger Jahren und sogar, auf seine eigene Weise, für George W. Bush zu Beginn des 21. Jahrhunderts.
    Heute sind die Badlands gezähmt. Wir können zwei Routen nehmen, sauber asphaltierte Straßen, die sich durch die Landschaft winden. Auf den Hügeln buddeln Präriehunde, kleine murmeltierartige Wesen, die hier und da ganze unterirdische Städte angelegt haben; überall schauen sie mit ihren kleinen Köpfen aus den Höhlen im Sand. Die Hügel erinnern an riesige Schlackehaufen, Kathedralen aus längst vergangenen Zeiten. Es ist ein grauer Nachmittag, hin und wieder blitzt die Sonne zwischen den Wolken hervor, und dann schießen auf einmal allerlei Farben aus dem Gestein, leuchtendes Orange, Gelbbraun, Blau.
    In der Ferne grast ruhig eine kleine Bisonherde. Die Gesamtzahl der in Amerika wild lebenden Bisons wird heute auf höchstens 15 000 geschätzt. Als es hier noch kaum Weiße gab, etwa um 1800, lebten rund 80 Millionen Bisons auf den Ebenen zwischen Kanada und Mexiko. 1830 notierte der Künstler George Catlin, dass die Bisons mancherorts in solchen Massen vorkamen, dass die Prärie meilenweit schwarz war. »Die ganze Masse ist in steter Bewegung, wobei alle beständig ein tiefes, dumpfes Gebrüll ausstoßen, das einem fernen Donner gleicht.«
    Um diese Zeit begann das große Bisonschlachten. Professionelle Jäger erschossen die Tiere zu Tausenden, der Felle wegen. Auch die Indianer konnten mit ihren Gewehren viel effektiver jagen als früher: Um 1830 erlegten nur die Komantschen und ihre Verbündeten etwa 280 000 Bisons pro Jahr. Während einer langen Zugfahrt war eine Bisonherde eine willkommene Abwechslung. Die Passagiere schossen auf die Tiere wie auf Tontauben, nur zum Vergnügen. Und die Eisenbahngesellschaften und die Farmer förderten die Bisonjagd; die Herden beschädigten manchmal Lokomotiven, und die Farmer wollten vor allem ihr eigenes Vieh auf den Ebenen grasen lassen.
    Die Bundesregierung legte den Jägern keine Hindernisse in den Weg: Die Bisons waren die wichtigste Nahrungsquelle der Indianer, ohne Bisons konnten sie ihre ursprüngliche Lebensweise nicht beibehalten. Und genau das war die Absicht, denn dann mussten sie sich wohl oder übel in ihre Reservate zurückziehen.
    Die Frontier , der grenzenlose Westen, war jahrelang der Kern jeder amerikanischen Erzählung gewesen, doch auf einmal hatte das ein Ende. Von Dickinson aus, nicht weit von hier entfernt, wurden 1882 noch 200 000 Bisonhäute Richtung Ostküste verschickt, 1883 waren es nur noch 40 000, und im Jahr darauf, als Theodore Roosevelt hierherzog, ging nur noch eine einzige Waggonladung Häute Richtung Osten, und das war die letzte. Die wilde Natur des Westens, schrieb Owen Wister 1902, war »eine versunkene Welt«: »Die Berge sind da, in der Ferne leuchtend, und das Sonnenlicht, und die endlose Erde, und der Himmel, der immer wieder ein wahrer Jungbrunnen zu sein scheint – doch wo ist der Bison, und wo die wilde Antilope, und wo ist der Reiter mit seinen grasenden Herden?«
    Laut dem Historiker Frederick Jackson Turner war the end of the Frontier der Wendepunkt in der amerikanischen Geschichte. Die Frontier -Erfahrung hatte Individualismus und Demokratie gebracht, und Immigranten aus allen Teilen Europas hatten Freud und Leid geteilt. Jetzt, da diese Phase vorbei war, würde, so fürchtete er, die Demokratie durch Privilegien und Hierarchie, der Individualismus durch Konformismus und die ethnische Harmonie durch einen babylonischen Turm ersetzt werden. Seine Theorie fand großes Echo und tut es bis heute.
    Roosevelt, dem Wister die oben stehenden Zeilen gewidmet hatte, kümmerte all das nicht. Er kleidete sich, als gäbe es den traditionellen Westen noch, und er benahm sich auch so; er war der erste Präsident, der Nostalgie zu seinem Image machte. »Theodore Roosevelt war ein typischer amerikanischer Weichling«, schrieb Gore Vidal in einem seiner Essays, ein Schwächling, »der seine körperlichen Mängel überwand – oder zu überwinden schien – durch ›männliche‹ Aktivitäten, deren aufregendste und ehrenvollste der Krieg war.«
    Roosevelt begründete damit eine Tradition, die

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