Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
Velcro ähnelte. Aus den Ecken der Zimmerdecke verbreiteten Reflektoren Licht in deprimierender Neonfärbung. Ein Terminal in einer Wandnische bot dem Gast die Möglichkeit, Leute zu kontaktieren – oder Geld auszugeben –, ohne das Zimmer zu verlassen. Das Bett hatte vermutlich mit Verzweiflung und Haß soviel Erfahrungen gesammelt wie Angus.
Noch bevor sein Herz das nächste Mal schlug, hatte er sich vergewissert, daß er in dem Zimmer nichts zu befürchten hatte. Auch hier waren Observationsinstrumente installiert: Privatsphäre blieb überall in der Domäne des Kassierers eine ungewisse Sache. Aber zumindest lauerte im Zimmer keine unmittelbare Gefahr. Hier konnte man tun und lassen, was man wollte; falls man sich am Beobachtetwerden dabei nicht störte.
Der Vollständigkeit halber überprüfte Angus auch das Bad. Dann ging er nach nebenan zu Milos Taverner.
»Ich hab ’n gemachtes Nest«, sagte Angus. »Schauen wir mal, wie’s bei Ihnen aussieht.«
Durch seine Z-Implantate dazu gezwungen, auf die Sicherheit seines Begleiters zu achten, überzeugte sich Angus davon, daß zwischen seinem und Taverners Zimmer kein wesentlicher Unterschied existierte. Nur die farblichen Nuancen der Schmutzflecken wichen ab.
Taverner erübrigte kaum Beachtung für das Zimmer. Er musterte Angus’ Gesicht, forschte nach Anzeichen für Gefahren, Anlässen zur Unruhe.
»Es ist, als wär man bei Spionen zu Gast«, brummte Angus verdrossen, weil er befürchtete, Taverner könnte aus ungeduldigem Drang nach Gewißheit unter den Ohren des Kassierers eine Josua-Order erteilen. »Alles wird aufgezeichnet. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen… Solange Sie nichts Falsches tun.« Inzwischen war er sich ganz sicher, daß Taverner genug von erwerbsmäßiger Schnüffelei wußte, um ihn zu verstehen.
So steif, als lasteten die Blicke der Kameras auf ihm wie Gewichte, hob Taverner die Schultern. Trotzdem ließ er es nicht an Mühe fehlen, um seinen Part zu spielen. »Wenn wir nichts tun«, nörgelte er, »wie sollen wir dann hier was erleben?«
Angus schnaubte. »Daran hätten Sie denken sollen«, antwortete er, hin- und hergerissen zwischen dem, was er gerne gesagt hätte, und dem, was zu reden die Programmierung ihn nötigte, »ehe Sie’s geschafft haben, auf die Abschußliste der DA zu kommen.« Anschließend tat er so, als lenkte er ein. »Auf alle Fälle können wir uns einen in die Birne gießen«, ergänzte er seine Liebenswürdigkeiten. »Deshalb kriegen wir voraussichtlich keinen Ärger. Der Kassierer vertraut uns zwar nicht, aber er hat bestimmt nichts dagegen, wenn wir bei ihm Ihre Mäuse verplempern.«
Eine Sekunde lang wirkte Taverner derartig hilflos, so in die Enge getrieben, dermaßen voller Selbstmitleid, daß Angus nicht ausschloß, er könnte wie ein kleiner Bengel, der eine Abreibung erhalten hatte, in Tränen ausbrechen. Doch im folgenden Moment strafften sich seine Gesichtszüge, und in der Tiefe seiner Augen ballte sich Finsteres. Er hatte sich auf seine Erbitterung besonnen.
»Dann mal los«, meinte er ausdruckslos. »Ich bin soweit.«
Gut, höhnte Angus bei sich, weil seine Programmierung nicht duldete, daß er seine Gehässigkeit in Worte faßte; ihm nicht erlaubte, seinen angeblichen Ersten Offizier in der Öffentlichkeit mit Harne zu überschütten. Mir ist es am liebsten, wenn du Muffensausen hast. Dann begehst du deine schlimmsten Fehler.
Während er sich nutzlosen Phantastereien hingab, in denen Taverner ihn um den Tod anflehte, weil er ihm Knoten ins Gedärm machte, führte Kapitän Thermopyle sein einziges Crewmitglied hinunter an die Bar.
Dort wartete auf sie an einem Tisch in einem der trüben, schmuddligen Winkel Nick Succorso.
ANGUS
Die Theke bestand aus einem langen Brett Pseudoholz, dem man anhand der Fleckigkeit und Zerkerbtheit das Alter ansah. Beide Männer, die sich vor den Reihen der Fässer, Getränkespender und Flaschen hin- und herbewegten, hatten den hohlen Blick von Nullwellenhirnchen: waren Menschen, die niemanden betrügen konnten, weil sie der Fähigkeit, diesbezügliche Entschlüsse zu fassen, entsagt oder sie verloren hatten. Auf den Zapfhähnen und sonstigen Armaturen, den Gläsern und dem Metall, alles schmierig und verdreckt, spiegelte sich trübe die Beleuchtung.
Von einer Wand aus schien die Theke mitten durchs Lokal wie ein Pfeil geradewegs auf eine Bühne am anderen Ende der Räumlichkeit zu weisen. Zur Zeit fand keine Darbietung statt. Falls sich etwas
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