Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
nach der Rechtschaffenheit unseres Dienstes.
Männer und Frauen, Kadetten und Kadettinnen der Vereinigte-Montan-Kombinate-Polizeiakademie, es ist, wie ich schon erwähnt habe, höchste Zeit.
Es ist allerhöchste Zeit, daß wir ans Werk gehen. (Anhaltender Applaus)
LIETE
Liete Corregio, Dritte Offizierin der Käptens Liebchen, saß im Kreis der besten Leute ihrer Schicht an ihrem Posten auf der Steuerbrücke.
Ein lange andauernder, schwarzer Wind wehte ihr durch die Ohren.
Nach normalen Maßstäben hatten sie und die speziell zusammengestellte Brückencrew zur Zeit gar nichts auf der Steuerbrücke zu tun. Die Käptens Liebchen schwebte in einer Astro-Parkbucht, war an der Station verankert, hatte beide Antriebsaggregate und die Energieversorgung stillgelegt. Sogar der Strom zur Wasseraufbereitung und für die Luftfilteranlagen kam aus Kassafort, von dem tief im Innern – drunten im Mittelpunkt – des Planetoiden installierten Fusionsreaktor. Greifarme und Klammern hielten das Raumschiff so unbeweglich an seinem Platz, als wäre es ein Bestandteil des Docks geworden.
Nur die Kommunikation erforderte eventuell ein wenig Aufmerksamkeit; doch Liete hätte die Kontrollkonsole eingehende Mitteilungen durchaus in ihre Kabine – oder wo sonst sie sich gerade aufhalten mochte – weiterleiten lassen können.
Aber sie hatte ihre Befehle. Niemand an Bord konnte sie rückgängig machen.
Und trotz des andauernden schwarzen Winds und seiner Angstfracht hatte sie selbst keinerlei Absicht, sie in Frage zu stellen.
Sie gab sich alle und jede Mühe, um den Wind zu mißachten.
Ohnehin war er nur metaphorischer Natur; eine Art von Angewohnheit des Denkens oder eine Besonderheit der Wahrnehmung.
So weit sie sich bewußt zurückerinnern konnte, erlebte sie ihr Dasein samt und sonders in Bildern des Winds: dem arktischen Druck der Notwendigkeit, der sie von Ort zu Ort, von Job zu Job getrieben hatte, bis sie auf der Käptens Liebchen strandete; dem Tornado-Sog des Hyperspatiums, dem hohlen Säuseln des Vakuums zwischen den Sternen; dem köstlichen Zephyr des Schlafs; dem Sonnenwind von Nicks Männlichkeit; dem zehrenden Mistral der Flucht, des Gefechts, der Kommandotätigkeit. Sogar die Empfindungen des Essens und der Kameradschaft glichen für sie dem Hauch leichter, sanfter Brisen, die ihr das kurze Haar zausten, die dunklen Wangen erwärmten.
Und als Nick Succorso endlich, nach Jahren stiller Sehnsucht, so quälend und bar aller Abhilfe mit ihr ins Bett gegangen war, hatten auch seine Berührungen sich wie Wind angefühlt: wie ein heißes Wehen aus einer alten, verkrusteten, ausgedörrten Wüste, voller Sand und dermaßen trocken, daß es Liete nachgerade das Herz verdorrte. Als er ging, war ein Teil ihres Innenlebens verschrumpft gewesen, zu Gebrösel zerfallen – der einzige Teil, der noch gegen Nick hätte Vorbehalte hegen können.
Sobald sie gemerkt hatte, daß ihr schließlich keine Bedürfnisse oder Wünsche mehr verblieben, die nicht von Nick abhingen, setzte das ununterbrochene Blasen des schwarzen Winds ein.
Der Wind ihres Untergangs.
Vielleicht kündete er den Untergang des ganzen Raumschiffs an.
Doch er war nur eine Metapher, ein Wahrnehmungsmuster; er konnte sie nicht beirren. Vielmehr half er ihr dabei, die Umstände zu durchschauen.
Als Nick sich den Weg in die Hilfssteuerwarte gebrannt und den Laserschneider auf Morn gerichtet gehabt hatte, war Liete durch den altvertrauten, von ihr respektierten Drang, den sie als Mistral empfand, im wahrsten Sinne des Wortes auf die Sprünge geholfen worden; sie hatte sich Nick entgegengeworfen und ihn zu Boden gestoßen, sowohl ihn wie auch sein Raumschiff gerettet.
Winde und Stürme aller Art hatte sie überstanden, um bei ihm das Vertrauen zu erringen, das sie zu seiner Dritten Offizierin gemacht hatte.
Aus diesem Grund kannte sie trotz des Rauschens dieses schwarzen Winds – eines ausgedehnten, echohaft-hohlen Halls, so wechselhaft wie stetiges Stöhnen – nicht die mindesten Bedenken gegen die wortgetreue Befolgung seiner Befehle.
Sie blieb in vollkommener Zuverlässigkeit auf der Steuerbrücke und an ihrem Posten.
Aus dem gesamten Schiff hatte sie für diese Schicht Leute zusammengesucht, die sie um sich haben wollte, denen sie traute: Carmel für das Scanning, Malda Verone für die Waffensysteme, Lind für die Kommunikation; die Steuerung hatte sie Pastille übergeben, weil sie seine diesbezüglichen Fähigkeiten höher schätzte, als sie
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