Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
der niedrigeren Schwerkraft Thanatos Minors weniger Beschwerden bereiteten; wäre etwas von dem Gewicht, das gewöhnlich auf ihm lastete, von ihm genommen worden. »Hier rumzusitzen, macht mich nervös.«
»Aber…« Sib wischte sich Schweiß aus dem Gesicht.
»Sib«, fragte der Bordtechniker ihn in umgänglichem Tonfall, »wärst du Sorus Chatelaine, wie lange würdest du warten, bis du deine vollständige Crew losschickst, um dir die Leute zu kaschen, die solche Gerüchte verbreiten?«
Mackern erbleichte. Dann sprang er von seinem Stuhl empor, als wäre er mit einem Stunnerknüppel gekitzelt worden.
»Mikka…« Lumpis Augen blickten flehentlich; doch er wußte nicht, wie er erbitten sollte, dessen er bedurfte.
Mikka stand auf, faßte ihn am Arm und zog ihn mit sich; aber dann drückte sie ihn kurz.
»Ciro, ich kann dir nicht versprechen, daß wir diese Sache lebend oder heil überstehen«, sagte sie zu ihm. »Ich weiß nicht, was passieren wird. Aber egal was es ist, du bist nicht allein. Du hast Freunde.«
Trotz seiner Verängstigung rang Sib sich zu einem matten Lächeln durch. Vector nickte ernst.
»Und ich bringe jeden um«, fügte Mikka abschließend hinzu, »der uns trennen will.«
Flüchtig drückte Lumpi seinerseits sie. »Alles gebongt«, antwortete er leise. »Ich komme schon zurecht.« Damit ging er wieder auf Abstand.
Mikka Vasaczk kannte kein Zaudern mehr. Mit Zweifeln konnte sie keine Zeit mehr verschwenden; denn im Innersten ihres Herzens glaubte sie, daß es ihr für all das an Mut mangelte. Sie war länger als Vector, Sib oder Ciro von Nick Succorso abhängig gewesen, hatte ihn viel mehr als sie gebraucht. Gefolgt von ihren Kameraden, verließ sie den Hotel- und Restaurantbetrieb Kassaforter Lustschloß und machte sich mit ihnen auf den Weg zur Rezeption und zur Posaune.
ANGUS
Endlich verrieten seine Instinkte oder der Interncomputer Angus Thermopyle: der Zeitpunkt war gekommen.
Er konnte kaum noch sprechen. Brandblasen bedeckten seine Zunge; Asche verklebte ihm die Kehle. Spasmen der Übelkeit durchzuckten sein Zwerchfell, füllten seine Speiseröhre mit warmem Brei; doch seine Z-Implantate unterdrückten den Brechreiz. Der Zwang, den sie über ihn ausübten, schien ihm den Brustkorb zusammenzupressen. Von Minute zu Minute drohte der Schmerz übermächtiger zu werden, als sein gefangener Geist es zu ertragen vermochte.
Der Schmerz gab ein Spiegelbild der Verfassung seines ganzen Körpers ab. Seit einer Stunde bot er jedes Quentchen an Kraft und Willen auf, um die Herrschaft des Data-Nukleus zu brechen; ein Moment der Unvollkommenheit oder irgendeinen sonstigen Ansatz zu entdecken, der es ihm gestattete, sich der Gewalt der Zonenimplantate gerade lange genug zu entziehen, um Milos Taverner zu töten. Mehr wünschte er sich nicht: nur eine Gelegenheit, um Taverner zu Hackfleisch und Knochensplittern zu zerkleinern; eine Chance gegen den Abgrund. Aber er konnte dem in seinem Kopf errichteten Gefängnis nicht entfliehen.
Den Mund voller Asche und Unglück, begriff er, daß er über kurz oder lang den Verstand verlieren mußte. Dann war es unwiderruflich aus; wäre er nur noch ein Irrer, der in der eigenen Schädelhöhle vor sich hinsabbelte und schrie, sich nicht einmal noch hörbar machen konnte, unfähig zur Beeinflussung all dessen bliebe, was sein Körper tat, seine Lippen sprachen.
Er müßte zurück in den Abgrund stürzen…
Wäre wieder… in seinem Kinderbett…
… die mageren Hände und Füße ans Bettgestell gebunden…
… während seine Mutter…
… im Abgrund, während Geheul, das er nicht hinausbrüllen konnte, von den unnachgiebigen Knochen seines Schädels widerhallte.
… seine Mutter ihm Schmerzen zufügte…
Aber er setzte den Widerstand fort. Er hatte keine Alternative. Denn sobald er nachgäbe, er kapitulierte, verschlänge ihn erneut die Finsternis, der zu entkommen er sein ganzes Leben lang, um den Preis von soviel Furcht, Blut und Einsamkeit, gerungen hatte.
Vor einer Weile war ihm jedoch ein unerwarteter Gnadenakt zuteil geworden. Der automatisch um sein körperliches Befinden besorgte Interncomputer hatte die Verbrennungen bemerkt, die wie ein langsam verkokelnder Brandsatz in seinem Mund schwelten. Als seine Qual gewisse akzeptable Parameter überschritt, betäubte eine schwache elektronische Emission nach und nach die Schmerzrezeptoren seines Hirns. An der Verletzung änderte sich dadurch natürlich nichts. Doch immerhin ermöglichte
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