Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
diese Maßnahme es ihm, weiterhin seine Funktionen wahrzunehmen.
»Versuchen Sie’s jetzt mal«, nuschelte er Taverner so brabblig wie ein Debiler zu.
Die Barmherzigkeit des Apparats linderte nicht im geringsten Angus’ Verzweiflung.
Taverner hob die Schultern. Indem er eine neue Qualmwolke in die aufgrund der unzulänglichen Skrubber in den Luftfilteranlagen der Galacto-Grotte gehörig verräucherte Luft paffte, stand er auf; dermaßen in sich selbst versunken, als wäre er mit dem Vorrat an Niks und seinem menschlichen Aschenbecher allein auf der Welt, schlurfte er ans Computerterminal. Mit einem Tastendruck stellte er eine Verbindung zur Posaune her, dann instruierte er ihre Kommunikationssysteme, ihm alle zwischenzeitlich eingegangenen Nachrichten zu übermitteln.
»Sieht so aus, als wär’s da«, murmelte er einen Moment später.
»Sie sind derjenige, der den Code kennt«, krächzte Angus, als wäre er nicht dem Zusammenbruch gefährlich nahe. »Ist’s Zeit zum Gehen?«
Taverner brummelte vor sich hin, während er die Mitteilung entzifferte. »Anscheinend«, sagte er schließlich. Seine Stimme klang nach Bekümmertheit und auf diffuse Weise nach Verbitterung, als hätte etwas, das er unbedingt brauchte, ein Ende genommen.
Angus erhob sich vom Stuhl. Die Beine hätten unter ihm gezittert, wäre es nicht von den Z-Implantaten verhindert worden; eine andere Art von Zittern jedoch, das der Data-Nukleus ignorierte, bebte aus seinem Unterleib durch die Lungen bis in die Muskeln rund um sein Herz herauf. Bewegung, jede Bewegung war besser als stillzusitzen, während der Wahnsinn ihn umlauerte.
Er wartete nicht auf Milos Taverner. Gemächlichen Schritts, um seine Verzweiflung zu verheimlichen, stapfte er zur Tür und hinaus in den Korridor. Solang er den Mund geschlossen hielt, bemerkte man sein Leid an nichts außer der Blässe seines Gesichts.
Unwillig schloß Taverner sich ihm an. Seinen Ersten Offizier hinter sich, fuhr Angus im Lift ins Erdgeschoß hinab und verließ die Galacto-Grotte.
Gelärme und Durcheinander des Vergnügungsviertels schlugen ihm entgegen wie ein Aufschrei der Erleichterung. Keine Melder lungerten in der Umgebung; alle Mikrofone waren zu weit entfernt, um einzelne Stimmen zu unterscheiden. Die Mehrheit aller Leute, die die Straße entlangschlenderten oder sich dahinschoben, blieben verstrickt in ihre eigenen Bedürfnisse und Nöte, die eigene Verderbtheit; sie beachteten Angus gar nicht. Und für ihn hatte die Luft einen köstlichen Geruch, ihm war sie vertraut und voller beziehungsreicher Andeutungen: sie duftete nach synthetischen und natürlichen Verhängnissen, obwohl Niks in der Vielfalt all der Odeurs einen lediglich geringfügigen Bestandteil bildete. Hier verkehrte die Verzweiflung in Verkleidungen, die ihm etwas sagten.
Ein paar Minuten lang latschte er ohne besonderes Ziel geradeaus, atmete ganz einfach nur die Luft, ließ die grellen Farben und das gedämpfte, ungleichmäßige Wummern der Stiefel auf dem Betonboden auf sein Gemüt einwirken, durchschnupperte die Atmosphäre nach Gefahren. Dann packte er plötzlich Taverner am Arm und zog ihn dicht genug zu sich heran, um sich auch im Flüsterton verständlich machen zu können.
»Jetzt dürfen wir reden«, lallte er trotz der wunden Zunge. »Keine Melder oder Aufpasser« – er vollführte eine kurze, schroffe Gebärde – »sind in der Nähe. Niemand kann uns belauschen. Was hat Scheißkapitän Schluckorso durchgegeben?«
Der Ausdruck des Widerwillens wich nicht mehr aus Taverners Miene. »Laut Succorso«, antwortete er leise, »hat der Kassierer kein Gefängnis. Er verhängt keine… so leichten Strafen. Aber er hat eine Anzahl von Zellen für Personen, die vernommen werden sollen. Drunten im Kommandokomplex. Dort locht er gewöhnlich Gefangene ein, bis er entscheidet, was er mit ihnen anfängt.« Er blickte drein, als wollte er ausspucken. »Mehr wußte die Frau nicht.« Für einen Moment schwieg er. »Das ist keine großartige Grundlage für ’ne Aktion«, fügte er hinzu. »Wie wir die Zellen finden können, hat Succorso nicht mitgeteilt. Und wir wissen nicht einmal sicher, ob der Junge dort unten sitzt.«
»Es reicht aus.« Angus wußte, wo sich diese Zellen befanden: vor Jahren hatte er bei einem seiner problematischeren Aufenthalte auf Thanatos Minor ein Weilchen in so einer Zelle zugebracht. Allem Anschein nach hatte der Kassierer die Prozeduren für den Umgang mit menschlicher Beute nicht geändert.
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