Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
zugebracht hatte, seine Empfindsamkeit zu leugnen, wußte er genau, wie der Junge sich fühlte.
»Es ist alles zuviel…«, murmelte Davies. »Da sind zu viele Machenschaften in Gang… Ich muß mich an zu vieles erinnern. Ich weiß nicht, wem ich trauen darf.«
Er schüttelte den Kopf, schluckte mühsam, als ränge er mit Tränen. »Habe ich…« Die Stimme schrammte ihm wie unter großen Schmerzen aus der Kehle. »Hat sie wirklich die Stellar Regent vernichtet?«
Angus mußte unausweichbarem apparativem Druck widerstehen, um sich noch länger mit seinem Sohn befassen zu können. Sein Interncomputer hatte für ihn andere Aufgaben. Allerdings hatten die Experten, von denen die in den Programmen enthaltenen Befehle und Gebote geschrieben worden waren, seine Kenntnisse der Illegalen, seine Vertrautheit mit Kassafort sowie sein Vermögen, sich in extremen Situationen zu bewähren, durchaus zu schätzen gewußt. Für manche Gelegenheiten hatten sie ihm gewisse, beschränkte Befugnisse zugebilligt.
Ruckhaft nickte er Davies zu. »Genau das ist der einzige Grund, weshalb ich noch lebe. Und der einzige Grund, wieso ich Morn schnappen konnte. Sie ist zu sehr außer sich vor Entsetzen gewesen, um sich zu wehren. Ihr Hylands müßt euch diese hinderliche Art der Reaktion abgewöhnen. Dadurch seid ihr einfach viel zu sehr im Nachteil.«
Allmählich verkrustete rings um Davies’ Augen das Blut. »Ja«, sagte er nach einem Moment des Überlegens, als fände er sich mit einem zwiespältigen Erbe ab.
Mehr Zeit gestanden die Zonenimplantate Angus für seinen Sohn nicht zu. Mit betont rauhbeinigem Gebaren wandte er sich ab.
»Zum Henker, wo bleibt denn Taverner?« brummte er. »Ich glaube, ich bringe dich lieber ins Krankenrevier.«
Zu spät erkannte er die Wahrheit. So wie Nick Succorso, war auch Milos Taverner von Bord verschwunden.
SORUS
Als Sorus Chatelaine das Panzergewölbe des Kassierers betrat, kochte er, als sie ihn antraf, vor Erbitterung wie Lava.
»Hast du’s schon gehört?« schnauzte er, kaum daß er Sorus sah. »Weiß inzwischen jeder auf diesem verdammten Felsklotz, was diese Lumpen sich mir gegenüber geleistet haben?«
Umgeben von Computerkonsolen, Datenterminals und Monitoren, kreiste er durchs enge Rund seines Befehlszentrums. Im Rest des Raums war es dunkel und still wie in einer Höhle; die gesamte Beleuchtung erhellte nur ihn und seine Anlagen. Im hellen Licht wirkte er, als ob er schwelte. Hager wie ein Asket, hätte er ein Märtyrer sein können, den man in Öl getaucht und angezündet hatte.
Sorus trat näher, verharrte unmittelbar außerhalb des Helligkeitskreises. »Wie soll ich darauf antworten?« fragte sie gelassen. Sie kannte selbst Gründe zum Ärger – und zur Furcht –, ließ sich beim Kassierer jedoch aus Prinzip nie irgendwelche Schwächen anmerken. »Du hast nicht erwähnt, von welchen Lumpen du sprichst.«
»Das ist deine Schuld!« brauste er auf; mehr denn je benahm er sich wie ein zorniges Kind. »Du solltest ihn vernehmen.« Einen Augenblick lang schwieg er, starrte sie nur an. »Zum Donnerwetter, Sorus, ich habe dir sogar erlaubt, ihn zu foltern. Was hättest du sonst noch gebraucht?«
»Aha, so.« Unbeeindruckt erwiderte sie seinen Blick. »Wir reden über Davies.« Ihre volle Kontraaltstimme gab von ihren Empfindungen nicht das mindeste preis. »Aber ich verstehe noch immer nicht, was du meinst. Du hast ›Lumpen‹ gesagt. Im Plural gesprochen.«
»Und Davies Hyland ist auch ein Lumpenhund, ja, ich weiß, ich weiß.« Der Kassierer fuchtelte mit den Händen, setzte sein Umherstapfen fort. Seine Augen erforschten Bildschirme und Anzeigen nach Aufschlüssen, die er nicht fand. »Sei so gut und erspar mir in einer solchen Stunde deinen Humor. Warum warst du nicht bei ihm und hast erledigt, was ich dir aufgetragen hatte?«
Sorus seufzte verhalten. »Ich mußte erst einmal nachdenken. Und…« Sie wartete ein, zwei Sekunden lang ab, um sich die Aufmerksamkeit des Kassierers zu sichern, ehe sie weitersprach. »Und ich konnte mir nicht vorstellen, was Succorso im Sinn hat. Ich habe ja versucht, dir klarzumachen, daß er vielleicht eine raffiniertere Sauerei plant, als wir’s uns im Moment denken können. Darüber wollte ich nach Möglichkeit mehr herausfinden, weil ich der Ansicht war, es könnte entscheidende Bedeutung haben. Und weil ich dann vielleicht besser wüßte, wie ich an Davies rangehe. Ihn nur aus Spaß an der Sache zu foltern« – das stellte sie
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