Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
stach durch Angus’ Herz, als würde es perforiert. »Ich habe dir doch gesagt, du mußt den Durchblick bewahren.« Er verstand Davies so genau, als wäre er Telepath. »Das war Morn. Was er dir zugemutet hat, war etwas völlig anderes.«
Zum zweitenmal versuchte Davies zu nicken. Eindringlich beließ er den zerquälten Blick auf Angus’ geheftet. »Aber ich weiß trotzdem über ihn Bescheid. Sie ist nicht mehr bei ihm.«
Angus erstarrte. Milos Taverner schien am Qualm zu verenden.
Nick Succorso tat einen Atemzug, der einem Schaudern glich, und senkte den Kopf, als wartete er auf die Axt des Scharfrichters.
»Er kann sie gar nicht mehr gegen mich eintauschen«, erklärte Davies so deutlich, wie er es momentan konnte. »Er hat sie schon den Amnion ausgeliefert.« Ein Zucken der Pein unterbrach ihn, brachte ihn zum Verstummen. »Ich weiß es«, fügte er hinzu, sobald der Schmerz verebbt war, »vom Kassierer.«
Taverner bedeckte das Gesicht mit den Händen.
Morn!
Angus’ wahnsinnige Wut lohte beinahe mit Mikroprozessorgeschwindigkeit empor, dermaßen schnell, daß er sich fast noch einmal auf Succorso gestürzt hätte, ehe sein Interncomputer es verhinderte.
Er hat sie schon den Amnion ausgeliefert.
Das zu verhehlen war also der Zweck von Succorsos Ablenkungsmanövern; das war der wahre Betrug. Er hatte Morn in den Schlund der Mutagene und des Untergangs geworfen. Und danach hatte er sie trotzdem, als hätte er sie noch in Gewahrsam, weiter als Tauschware benutzt.
Nun hätte Angus für eine Gelegenheit, Nick Succorso noch einmal zu schlagen, gerne das Leben hingegeben.
Aber seine leidenschaftliche Entrüstung prallte an der neuralen Barriere seiner Zonenimplantate ab; er vermochte sich nicht zu regen. Randvoll mit Empörung und Gram, konnte er nicht mehr tun, als still dazustehen und seine Programmierung Warden Dios’ Entschlüsse fällen zu lassen.
Irrsinn bedrängte seinen Geist. Ebenso wie Nick Succorso hatte er die Grenze des Zumutbaren erreicht. Er stand am Rande des Zusammenbruchs; gleich an der Kante des Abgrunds. »In diesem Fall«, hörte er sich dennoch unvermutet sagen, »müssen wir sie zurückholen.«
»Ach du Scheiße«, stieß Milos Taverner unterdrückt aus. Anscheinend kannte er keinen anderen Kommentar zu seinem Grausen.
»Was für ein verrückter Einfall…« Nick preßte die Worte aus der Magengrube hervor, als ob er hustete. »Sie ist in der Amnion-Sektion. Sie müßten’s mit den Amnion dort, dem Kassierer und zwei Kriegsschiffen aufnehmen, nur um sie zu finden. Außerdem haben sie ihr bestimmt längst Mutagene gespritzt. Sie ist inzwischen eine von ihnen.«
Und du hast ihr das angetan! gellte es in Angus. Sie hat sich an dich verschleudert, sie hat dir alles gegeben, was ich mir wünschte, und du hast sie denen abgetreten!
»Trotzdem müssen wir sie wiederholen«, bekräftigte er gleichzeitig völlig gelassen. Er sprach unpersönlich wie ein Automat. »Wenn sie eine von ihnen ist, werden wir sie töten. Andernfalls befreien wir sie.«
Sie war Polizistin: Dios durfte sie unmöglich Amnioni werden lassen.
»Ja«, knirschte Davies durch die Zähne. In seiner Maske aus Blut glitzerten die Augen. »Ja.«
»Ich geh ins Krankenrevier«, sagte Taverner ziemlich barsch. Seine Stimme hörte sich nach tiefem Kummer an. »Wir brauchen ’n Antiseptikum und Verbandsmaterial.« Das Gesicht abgewandt, strebte er zur Konnexblende und verschwand außer Sicht.
»Sie sind verrückt, und der Junge auch.« Unsicher rappelte Succorso sich auf. »Von den Amnion zurückholen wollen Sie sie, na klar… Nichts einfach als das.« Allmählich klärte sich sein getrübter Blick, aber er schwankte fortgesetzt. Der Streß zuckte in seiner Wange wie erratischer Herzschlag. »Mit welcher Armee, wenn ich fragen darf? Gegenwärtig hat ’n Kriegsschiff seine Artillerie auf uns gerichtet. Superlicht-Protonengeschütze. Selbst wenn Sie’s schaffen sollten, in die Amnion-Sektion einzudringen und sie rauszuholen« – trotz seiner Mattheit versuchte er seinen Einwänden Nachdruck zu verleihen – »kommen Sie niemals mit ihr weg.«
Er wollte grinsen, doch ohne Erfolg: der Tic in seiner Wange verdarb ihm den Versuch. »Mann, Sie sind gleichfalls so gut wie tot. Außer Sie lassen mich ihnen dieses Kerlchen geben. Dann bleiben vielleicht ’n paar von uns am Leben.«
Obwohl er der Unterlegene war, Davies seine Arglist entlarvt hatte, suchte er desparat nach einem Ausweg aus der Sackgasse.
»Nein.« Angus
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