Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
Bildschirmen war zu erkennen, daß der Cyborg die Steuercomputer darauf einstellte, die Anweisungen der Leitzentrale automatisch zu befolgen.
»Josua«, ordnete Milos an, sobald er sich wieder Halt an Thermopyles Rücklehne verschafft hatte. »Lassen Sie das. Hören Sie mir zu.«
Gefüge wie ein Apparat senkte Thermopyle die Hände. Ein Ruck durchfuhr ihn, als hätte er vor, den Kopf zu drehen; doch eine gefühlsmäßige Hemmung oder ein Programmbefehl hinderte ihn daran.
»Josua«, säuselte Milos leise hinter Thermopyles Kopf, »Sie wissen über die Gründe unseres Hierseins alles, was man Ihnen zu wissen zugestanden hat.« Wen er mit ›man‹ meinte, mußte er nicht erklären. »Ihnen ist ein gewisser Zugriff auf den Datenspeicher möglich, auf manche der Informationen, die Sie brauchen. Mit der Zeit sollen es mehr werden. Aber Ihnen ist nicht mitgeteilt worden, warum ich dabei bin.«
In Angus Thermopyles Schulter zuckte ein Muskel. Vielleicht wehrte er sich gegen die Unterjochung durch das Zonenimplantat.
»Bei der VMKP glauben sie, sie hätten’s getan«, sagte Milos. »Man bildet sich ein, meine Anwesenheit gut genug erklärt zu haben, um Ihr Funktionieren sicherzustellen.« Und sie denken, sie wüßten die Wahrheit, ob sie Sie eingeweiht haben oder nicht. »Aber sie irren sich. Ich habe selbst meine Gründe. Und jetzt ist es soweit, daß wir uns mit ihnen befassen… Angus Thermopyle« – Milos sprach mit voller Inbrunst seines Herzens – »Sie sind ein Brechmittel. Sie sind mir hochgradig widerlich. Ihre Gewalttätigkeit ekelt mich an. Ihre ganze Person ist zum Kotzen. Ihre gesamte Einstellung ist mir abscheulich. Alles was Sie tun und alles was Sie sind, ist nach meinem Empfinden scheußlich. Aber am widerwärtigsten als alles übrige ist die Tatsache, daß ich hier Ihren Untergebenen spielen muß. Von Ihnen Anweisungen entgegennehmen zu müssen, reicht mir schon, aber dabei auch noch so was wie Sie anzusehen und zu riechen, das ist der Gipfel des Gräßlichen. Das werden wir nun ändern.«
Milos öffnete die Verschlüsse seiner Bordmontur. »Los, Josua«, ermunterte er den Cyborg im Tonfall des Behagens. »Fragen Sie mich, was das heißen soll.«
Angus Thermopyles Stimme entpreßte sich seiner Kehle, als hätte sich deren Muskulatur verknotet. »Was soll das heißen?«
Vom innersten Mark seiner Glieder bis in die Nervenspitzen kannte Milos Taverner sich mit Demütigung und Machtausübung aus. Zum erstenmal seit Monaten – vielleicht das erste Mal seit Jahren – erlebte er einen Augenblick des Glücks. Er ließ die Bordmontur fahren, nahm die Hand von der Rücklehne des G-Andrucksessels und packte statt dessen die Armlehne. »Es heißt«, gab er mit vieldeutigem Lächeln zur Antwort, »Sie werden Ihre faulige Flappe benutzen, um mich sauberzuhalten.«
Unter sorgfältiger Berücksichtigung der erforderlichen Codes, damit nichts schiefgehen konnte, beschrieb Milos in aller Genauigkeit, was ›Josua‹ zu tun hatte.
Später, als der Schmutz von seinem Körper entfernt worden war und sein Gemüt sich von der Furcht befreit hatte, gab Milos unter Berufung auf die Jericho-Priorität einen Befehl, der dafür sorgte, daß Angus Thermopyle ihm fortan die uneingeschränkte Anwendung der Kommunikationsanlagen der Posaune gestattete.
ERGÄNZENDE DOKUMENTATION
VEREINIGTE MONTAN-KOMBINATE
Kurzer historischer Abriß
(Erster Teil)
Unter öffentlicher Betrachtung präsentierte sich der Aufstieg der Vereinigten Montan-Kombinate als Paradebeispiel für die Ausnutzung wirtschaftlicher Macht.
Wie wurde die VMK so groß? Wie kam es dahin, daß die VMK die Aktivitäten der Menschheit im Weltall nicht nur lenkte, sondern sogar polizeilich überwachte? Wie war es möglich, daß sie die Regierungen der Erde aus ihrer althergebrachten (obwohl im wesentlichen von Eigenmächtigkeit gekennzeichneten) Staatsgewalt über ihre Bürger verdrängten? Aufgrund welchen Rechts entwickelte sich die VMK zum einzigen offiziellen Handelsvertreter – und somit zum einzigen tauglichen Schutzfaktor – zwischen der Menschheit und den Amnion? Wie konnte es geschehen, daß ein ›normales privates Wirtschaftsunternehmen‹ die Verantwortung für das Schicksal des gesamten Menschengeschlechts an sich riß?
Auf alle diese Fragen gab es nur ein und dieselbe Antwort: ökonomische Stärke.
Suchte man ein Bindeglied, um die Zusammenhänge deutlich zu machen, ließ sich auf die Erfindung des Ponton-Antriebs verweisen. Ohne die
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