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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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antworten: Na gut. Wenn du es so willst. Doch auch diesmal kam, als sie den Mund öffnete, kein Ton heraus. Ihre Kapazität zum Tränenvergießen harte sich erschöpft.
    »Bitte, Mikka…«
    Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich nach ihm zu richten. Sie faßte den Vorsatz, aus der Koje zu steigen, wenn sie ihre verspannten Muskeln gelockert hatte, und zur Tür zu gehen…
    Das Läuten des Interkom-Apparats vereitelte ihr Vorhaben im Ansatz.
    »Mikka?« Morns Stimme. »Ciro?« Morns Stimme. »Ist bei euch alles klar? Darf ich reinkommen? Ich muß mit euch sprechen.«
    Sofort fing Ciro plötzlich zu plappern an. »Nein, Mikka, laß sie nicht rein, ich will sie nicht sehen, ich kann sie jetzt einfach nicht sehen, laß sie bloß nicht rein…«
    Blut und Drangsal dröhnten mit einemmal dermaßen laut in Mikkas Ohren, daß sie beinahe den Eindruck hatte, taub zu sein. Sie warf einen Blick auf den Interkom-Apparat. Nein, Morn konnte Ciro nicht hören. Das Mikrofon war abgeschaltet.
    »Es tut mir leid, daß es so lange gedauert hat, bis ich bei euch aufkreuze«, sagte Morn. »Ich weiß, ihr habt Schwierigkeiten. Ich will euch helfen. Aber es ist zwischendurch einiges passiert… Bitte macht auf. Wir müssen uns unterhalten.«
    Aber es ist einiges passiert…
    Trotz des Rauschens in Mikkas Gehör verstand sie jetzt schlagartig, was sie da hörte. Morns Stimme. Morn lebte. Und sie fällte ohne Rücksicht auf Nick eigene Entscheidungen.
    Warum hatte Nick sie nicht umgebracht?
    Die Bedeutsamkeit dieser Frage konfrontierte Mikka auf einmal so eindringlich, daß sie die momentane Bedrängnis überwog; dringend genug, um Ciros Gejammer an Wichtigkeit zu überbieten. Sie konnte unmöglich mißachten, wie viele Leben davon abhingen.
    Sie schob Ciro beiseite und schwang sich aus der Koje. »Mikka«, bettelte Ciro unentwegt, »nein, bitte nicht, nein, nicht…« Aber sie ignorierte ihn. Sobald sie das Kombinationsschloß der Tür erreichte, tippte sie den Öffnungscode ein.
    Ciro verstummte, als wären ihm die Stimmbänder durchtrennt worden.
    Eine Faust an einem Haltegriff, wartete Morn im Korridor. Sie war allein. Ihre Augen wirkten unnatürlich dunkel; verdüstert durch Zweifel und Sorgen.
    Während die Tür zur Seite rollte, schenkte sie Mikka ein unsicheres Lächeln, dann betrat sie entschlossen die Kabine. Im Innern ließ sie sich vom schwachen Beschleunigungsdruck der Posaune zum Stehen bringen. Nach einem kurzen Blick in Mikkas Miene galt ihre Aufmerksamkeit Ciro, der in der Koje lag, ihr den Rücken zugedreht, das Gesicht abgewandt.
    »Mein Gott«, fragte Morn leise, »was ist ihm denn zugestoßen?«
    Zittrig schöpfte Mikka Atem. Das Dröhnen in ihren Ohren schlug in Wut um. Der Zorn tobte in ihrem Kopf wie ein Gewitter. »Nick hat ihn reingelegt. Als Köder mißbraucht. Ihn geopfert. Er wollte, daß die Leute der Sturmvogel ihn sich kaschen… Ich weiß nicht warum. Es muß mit einem seiner ewig dreckigen Pläne zusammenhängen.«
    Ihre Kehle schnürte sich ein. Keine Worte konnten ausdrücken, was sie empfand. Sie vollführte eine Geste der Ratlosigkeit. »Seit er wieder bei mir ist, benimmt er sich nur noch so. Erst hat er verlangt…« Eigentlich war es ihr gar nicht möglich, so etwas auszusprechen, die bloße Vorstellung schmerzte zu sehr, doch irgendwie zwang sie sich dazu. »Er hat verlangt, ich sollte ihn töten. Jetzt will er dauernd, daß ich ihn in Ruhe lasse.« Morns Augen weiteten sich; die Düsterkeit ihres Blicks wurde tiefer. »Ihn töten?« Ihr Mund formte die zwei Wörter kaum vernehmlich. Dann biß sie sich auf die Lippe.
    Mikka sprach weiter; oder wenigstens glaubte sie zunächst, es zu tun. Die Absicht hatte sie jedenfalls. Wo ist Nick? wollte sie fragen. Was geht vor? Wieso lebst du überhaupt noch? Was hat Angus mit dir angestellt? Doch sie schaffte es nicht, einen einzigen Laut aus der Brust zu pressen. Ihr Schädel schmerzte, als wäre sie gerade erst gedroschen worden. Der Kopfverband bedeckte ein Auge, behinderte ihre Sicht. Und Morn betrachtete Ciro, als könnte sie aus den Umrissen seines verspannten Rückens sein ganzes Verhängnis ablesen.
    Ein wenig wußte Mikka über Morn: sie war Nicks und ebenso Angus’ Opfer gewesen. Nur das Zonenimplantat hatte ihre geistige Gesundheit gerettet. Aber als die Amnion ihr Mutagene in die Venen spritzten, hatte sie diesen Rückhalt nicht gehabt. Morn verstand etwas von Verhängnissen.
    »Ciro.«
    Sie nannte seinen Namen sehr leise. Der Klang ihrer

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