Amnion 4: Chaos und Ordnung
Spannung. Hoffnungen und Leiber, zu winzig, um aus dieser Entfernung erkennbar zu sein, verbrannten in der Glut blitzartig zu Asche. Einen Herzschlag später ließen sich nur noch residuelle Resteffekte der Vernichtung erkennen.
Der Amnioni hatte sich gerettet. Er hatte vollauf zweckmäßig gehandelt. Die Defensiveinheit war beschädigt; deutlich beeinträchtigt. Hätte sie statt dessen auf den Interspatium-Scout geschossen – auf ein bewegliches Ziel anstatt auf ein stationäres Ziel –, wäre er vielleicht verfehlt worden. Dann hätte sie vielleicht nicht lange genug weiterexistiert, um zu erfahren, ob die Posaune eliminiert wurde oder entkam.
Und die Funksendung des Interspatium-Scouts hätte unvermeidlich das Kosmo-Industriezentrum Valdor erreicht.
Aber jetzt hatte das kleine Raumschiff ein zweites Einhundertundachtzig-Sekunden-Fluchtfenster.
Es genügte. Min wußte es, bevor Bydells Berechnungen es bestätigten. Bei dieser Beschleunigung hatte die Posaune eine Chance zum Überleben. Inzwischen hatte sie eine Geschwindigkeit erlangt, die es ihr gestattete, in achtzig Sekunden den Ponton-Antrieb zur Hyperspatium-Durchquerung zu aktivieren. Und die Effizienz des Autopiloten war adäquat genug, um sie sicher aus dem Massif-5-System zu befördern, selbst wenn sämtliche Besatzungsmitglieder durch den Andruck die Besinnung verloren.
»Na, das ist aber eine Erleichterung«, murmelte Kapitän Ubikwe in beinahe sanftem Ton. »Ich war schon fast soweit, muß ich zugeben, daß ich dachte, ich muß mir Sorgen machen.«
Dennoch ließ er sich nicht zum Zaudern verleiten. Es war zu befürchten, daß der Amnioni das Superlicht-Protonengeschütz als nächstes auf die Rächer richtete – zumal der Kreuzer sich jetzt in einer günstigeren Position befand, um der Posaune Feuerschutz zu gewähren.
»Sergei«, befahl er unverzüglich, »ich glaube, nun empfiehlt sich eine sofortige Wiederaufnahme der Ausweichmanöver. Daß unser Freund angeschossen ist, heißt keineswegs zwangsläufig, daß er uns nicht mehr treffen kann.«
Nein. Mühevoll straffte Min sich in ihrem G-Andrucksessel. Nein. An Bord der Defensiveinheit hatte man gewußt, wo die Posaune den Asteroidenschwarm zu verlassen beabsichtigte. Vielleicht war man auch darüber informiert, wohin die Posaune nun flog. Und man konnte nicht ausschließen, daß der Amnioni andere Verbündete alarmiert hatte – irgendwelche Bundesgenossen, von denen man auf der Posaune nichts ahnte. Zudem war der Verbleib von Hashi Lebwohls Söldnerschiff, der Freistaat Eden, noch ungeklärt. Sie mochte irgendwo in der Umgebung lauern und auf ihre Chance zum Zuschlagen warten.
Die Rächer hatte ihre Aufgabe noch nicht erfüllt.
»Ich glaube, Kapitän Ubikwe«, widersprach Min, »es ist ratsam, daß wir uns schnellstens von hier absetzen.«
Dolph drehte sich ihr mitsamt dem Kommandopult zu. Absetzen? lag ihm sichtlich ein Einwand auf der Zunge. Sollen wir etwa dulden, daß ein Amnion-Kriegsschiff den Human-Kosmos unsicher macht? Doch Min räumte ihm keine Zeit zum Äußern seiner Bedenken ein.
»Die Posaune benötigt unsere Hilfe«, erklärte sie mit dem vollen Nachdruck ihrer Autorität. »Das Raumschiff, das Sie ›unseren Freund‹ nennen, könnte sich zu ihrer Verfolgung entschließen. Es müßte sie mit beachtlicher Verzögerung aufnehmen, aber es ist möglich, daß es den Versuch auf jeden Fall unternimmt. Und wir haben die Freistaat Eden noch nicht wieder geortet. Wenn sie das Gefecht beobachtet hat, weiß sie jetzt, daß die Posaune entwischt ist. Es kann sein, daß sie nun alles daransetzt, ihren Auftrag zu erledigen. Jetzt haben wir die Gelegenheit, beiden zuvorzukommen.«
Eine Gelegenheit, um sicherzustellen, daß die Menschheit nicht um das Geschenk gebracht wurde, das die Besatzung des Interspatium-Scouts ihr zu machen hatte.
Zum Glück verstand Dolph Ubikwe die Beweggründe Mins. Er brauchte keine zeitaufwendigen Erklärungen.
»Na gut.« Entschlossen nickte der Kapitän. »Dann überlassen wir die Defensiveinheit den Raumschiffen des Kosmo-Industriezentrums Valdor. Vorausgesetzt natürlich, sie lungert noch so lange hier herum, daß sie sie zum Kampf stellen können.«
Er wandte sich an den Steuermann. »Abdrehen, Sergei«, befahl er. »Wir wollen sehen, ob wir’s schaffen, die Posaune einzuholen, bevor sie noch mehr Überraschungen fabriziert.« Patrice zögerte nicht. »Aye, Kapitän.«
Er lenkte die Rächer dermaßen rücksichtslos in ein Wendemanöver, daß sich
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