Amnion 4: Chaos und Ordnung
Stimme jedoch genügte: Er zuckte zusammen.
»Dreh dich um, Ciro. Sieh mich an. Ich muß mit dir reden, und ich möchte, daß du mich dabei anschaust.«
Ciro drückte sich nur um so verbissener gegen die Wand.
Mit den Augen ersuchte Morn seine Schwester um Einwilligung zum Weitermachen. Knapp nickte Mikka, und Morn näherte sich der Koje. Dort klammerte sie eine Hand ans Gurtwerk, setzte sich auf die Kante der Koje und senkte die andere Hand auf Ciros Schulter.
Sie verzichtete auf den Versuch, ihn zu sich umzuwenden: Sie ließ ihn schlichtweg durch die Barrikade seiner Ablehnung ihre Gegenwart spüren.
»Ciro«, wiederholte sie. »Wir haben Nick überwältigt. Sib hat ihn gefesselt. Und Angus nimmt keine Befehle mehr von Nick an. Nick kann uns nicht mehr schaden.«
»Wie…?« brach es in unbändiger Überraschung aus Mikka hervor. Wie, zum Teufel, habt ihr denn das hingekriegt? Aber sofort biß sie sich auf die Zunge. Sie mochte Morn nicht ins Wort fallen.
Ciros Körper ließ sich eine unterschwellige Veränderung anmerken. Er bewegte sich nicht, doch Mikka konnte ihm ansehen, daß er jetzt zuhörte.
»Der Funkspruch, durch den Nick an Angus’ Prioritätscodes gelangt ist, kam von der Rächer«, erklärte Morn ruhig. »Von Dolph Ubikwe. Ich habe ja gesagt, ich glaube, daß sich da irgend etwas hinter den Kulissen abspielt. Daß da irgendwelche Entwicklungen in Gang sind, die uns Grund zum Hoffen geben. Diesmal hatte ich recht. Derselbe Funkspruch hat nämlich Angus’ Computer neue Instruktionen übermittelt. Kaum hatte Nick mit euch das Schiff verlassen, hat Angus die Codes auch uns mitgeteilt. Sich uns praktisch zur freien Verfügung gestellt. Dann hat er uns erläutert, wie wir ihn von der Fremdbestimmung befreien könnten. Von der Abhängigkeit. Jetzt muß er keinen Prioritätscodes mehr gehorchen. Sie sind quasi blockiert, haben auf ihn keinen Effekt mehr. Er ist wieder zu eigenen Entscheidungen fähig.«
»Moment mal«, fuhr Mikka auf. Sie konnte sich nicht zurückhalten: was sie da hörte, jagte ihr Entsetzen ein. »Du hast seine Codes bekommen… diesen Schweinehund unter deiner Gewalt gehabt… und hast ihn befreit?«
Morn sah Mikka nicht an. Anscheinend hatte sie nicht das Bedürfnis.
»Er hat das Zonenimplantat benutzt, um mich zu quälen. Genau wie später Nick. Ich kann nicht auf diese Weise mit Menschen umspringen.«
Mikka preßte einen Handteller auf den Kopfverband, als könnte sie dadurch den Schmerz unterdrücken. Das war der Untergang. Sie waren allesamt erledigt. Morn konnte nicht auf diese Weise mit Menschen umspringen. Prächtig. Wunderbar. Statt dessen lieferte sie sich ihnen aus. Lieferte sich ein zweites Mal Angus Thermopyle aus. Und dabei war er nach wie vor ein Cyborg, oder etwa nicht? Jetzt stand es in seiner Macht, jeden so zu schikanieren, wie er einmal sie behandelt hatte. Kein Wunder, daß Morn derartig mitgenommen aussah. Sie war übergeschnappt. Genau wie Nick.
Dennoch klang in ihrer Stimme keine Spur von Irrwitz an. Ich kann nicht auf diese Weise mit Menschen umspringen. Vielmehr hörte sie sich an wie eine Frau, die sich dazu durchgerungen hatte, Risiken hinzunehmen, die sie selbst erschreckten.
Mikka versuchte das Gefühl der Hilflosigkeit, das ihr Beklemmung verursachte, zu überwinden. »Und welche Entscheidungen trifft er?«
Morn hob den Kopf. Für einen Moment schloß sie die Augen, als wäre ihr das eine Hilfe, um ihre leidvollen Erinnerungen zu verkraften.
»Irgendwie haben er und ich vor längerem spontan etwas Ähnliches wie eine Abmachung vereinbart«, antwortete sie halblaut. »Einen Pakt, um uns gegenseitig am Leben zu halten. Er hat mir das Kontrollgerät zu meinem Z-Implantat überlassen. Ich hab’s genommen und bin mit Nick gegangen, statt mich an den Sicherheitsdienst der Kombi-Montan-Station zu wenden. Deswegen fehlte es nachher an Beweisen, so daß man Angus nicht zum Tode verurteilen konnte. Und ich hatte, was ich benötigte, um mein Leben weiterführen zu können. Anscheinend ist diese… An sich weiß ich gar nicht, wie ich’s nennen soll. Diese Übereinkunft erachtet er wohl als noch gültig. Er hält sie ein. Und vielleicht denkt er, weil ich ihm die Befreiuung von den Prioritätscodes ermöglicht habe, ich hielte mich auch dran.«
Bedächtig öffnete Morn die Augen und sah Mikka an. Die Dunkelheit in ihren Augen war noch tiefer geworden.
»Zur Zeit überläßt er mir die Entscheidungen.«
Obwohl Mikka sich redlich Mühe gab, vermochte
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