Amnion 5: Heute sterben alle Götter
beschloß sie, sich der Aufgabe zu widmen, hinter ihm Ordnung zu schaffen. Unter anderem bewog dieser Entschluß sie zur insgeheimen Unterminierung seiner Position, indem sie bei ihm für Hashi Lebwohl spionierte. Und dann, vor wenigen Tagen erst, hatte sie sich abermals einer Selbstprüfung unterziehen müssen, als Warden Dios ihr Godsen Friks Stellung anbot.
Gab er ihr damit nicht genau die Gelegenheit, die sie erhofft hatte? Eine Möglichkeit, um Godsen Friks widerwärtige Lügen gegen die Wahrheit auszutauschen? Vielleicht nicht. Warden Dios hatte Friks Falschheiten und Machenschaften zugelassen. Die volle Verantwortung für das abstoßende Treiben des ehemaligen RÖA-Direktors lag beim Polizeipräsidenten. Falls er von ihr erwartete, daß sie Friks Aufgaben auf Friks Weise versah, blieb ihr nichts anderes übrig, als sein Anerbieten abzulehnen.
Diese Entscheidung fällte sie, obwohl die Aussicht, so handeln zu müssen, sie schmerzlich erbitterte. Die Menschheit verdiente mehr von der VMKP-RÖA – und der gesamten VMKP –, als Godsen Frik ihr je gewährt hatte.
Doch ihr war durch Warden Dios nachdrücklicher Mut eingeflößt worden, als sie es je zu hoffen gewagt hätte. Aufgrund einer plötzlichen, ohne Begründung vollzogenen Kehrtwendung in seiner bisherigen Politik hatte er sie angewiesen, die Tätigkeit als RÖA-Direktorin so durchzuführen, wie sie es als angebracht erachtete: offen, aufrichtig und konstruktiv.
Auf einen Streich hatte er alles verändert. Seine Motive ahnte Koina nicht, aber sie war mit der Wende vollauf einverstanden. Trotz seiner Verantwortung für Godsen Friks Machinationen inspirierte er sie zur Treue. Nach Jahren frustvoller Enttäuschung und schlechter Kompromisse fand ihr Leben endlich Erfüllung. Sie merkte, daß sie geradezu darauf brannte, die Schnittstelle zu werden, die die VMKP so dringend brauchte.
Jetzt jedoch mußte sie ein weiteres Mal über ihr Leben nachgrübeln. Der VMKP-Polizeipräsident mutete ihr noch eine schwierige Wahl zu.
Und diesmal eine besonders harte Entscheidung.
Nach der Konferenz mit Hashi Lebwohl, Sicherheitschef Mandich und Warden Dios war sie nahezu überwältigt von Gram gewesen. Die Erleichterung darüber, die Kaze-Attacke nicht ausgelöst zu haben, war rasch verflogen; der Kummer, den ihr andere Angelegenheiten verursachten, hielt noch an. Das drohende Unheil erschwerte ihr die Bemühungen, eine klare Festlegung zu treffen.
So durfte sie nicht empfinden, ermahnte sie sich streng. Endlich faßte Dios das Mandat der RÖA-Leitung mit vollem Ernst auf; verlieh ihm Wirkungs- und Einflußkraft. Nun konnte sie ihre Arbeit zu guter Letzt so verrichten, wie sie von Anfang an hätte getan werden sollen.
Aber was sie erfahren hatte…!
Die Amnion hatten eine Kriegshandlung verübt. Allein das wäre erschreckend gewesen – überaus erschreckend –, doch es war längst nicht alles.
Auf direktes Geheiß Holt Fasners hin hatte die VMKP-DA Angus Thermopyle eine Falle gestellt, um im EKRK die Verabschiedung des Autorisierungsgesetzes zu erreichen. Morn Hyland wußte darüber die Wahrheit. Trotz der Tatsache, daß Kapitän Thermopyle mittlerweile ein unifizierter VMKP-Cyborg war, dessen Instruktionen eine Rettung Morn Hylands aus ihrem Sklavendasein bei Nick Succorso ausdrücklich verhinderten, lebte sie noch und befand sich an Bord der Posaune. Kapitän Thermopyles ›Flucht‹ aus dem VMKPHQ – mit Milos Taverner als Begleiter – war ein Bluff gewesen, um eine verdeckte Aktion gegen die Schwarzwerft Kassafort zu tarnen.
Zudem hatte Hashi Lebwohl überzeugende, wenn auch ausschließlich auf abgeleiteten Schlußfolgerungen beruhende Argumente dafür vorgetragen, daß die Kaze, die Godsen Frik und beinahe auch Kapitän Vertigus getötet sowie das gesamte EKRK in Gefahr gebracht hatten, von niemand anderem ausgeschickt worden waren als dem Drachen höchstpersönlich. Ihr vermutlicher Zweck sollte gewesen sein, die gegen die VMKP gerichteten Ermittlungen des Sonderbevollmächtigten Igensard abzublocken und den negativen Konsequenzen der kürzlich stattgefundenen Videokonferenz Polizeipräsident Dios’ und Direktor Lebwohls mit dem EKRK gegenzusteuern. Im Effekt jedoch hatten die Kaze nur das Abschmettern des durch Kapitän Vertigus vorgelegten Abtrennungsgesetzes zur Folge gehabt.
Und jetzt hatte sie, Koina Hannish, den Auftrag erhalten, das alles vor dem Erd- und Kosmos-Regierungskonzil zu enthüllen.
An sich hätte sie unter diesen Voraussetzungen
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