Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Sie überschlagen sich geradezu. Ihre Annahmen sind nur glaubwürdig, wenn man Warden Dios unterstellt, er hätte gewußt, daß es zu einem Eindringen der Amnion in den Human-Kosmos kommt. Sonst bleibt das ganze Gefasel über ›Verrat‹ und ›Untreue‹ nichts als ein Symptom der Paranoia.«
Der KIZ-Valdor-Repräsentant hatte alle Veranlassung, um Warden Dios die Stange zu halten. Häufiger als jedes andere Weltraumhabitat, die KombiMontan-Station ausgenommen, hatte das Kosmo-Industriezentrum Valdor die Raumschiffe der VMKP im Einsatz erlebt und sich vom untadeligen Pflichtbewußtsein ihrer Besatzungen überzeugen können.
So leicht jedoch ließ Maxim Igensard sich nicht aus dem Konzept bringen. »Sie haben völlig recht«, bestätigte er. Triumph durchzog seine Stimme. Schwerfällig drehte er sich in Koinas Richtung, aufgebläht durch sein Gefühl der Macht und Rechtschaffenheit.
»Direktorin Hannish…«
Fest erwiderte sie seinen Blick. »Bitteschön, Sonderbevollmächtigter?«
»Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
Koina öffnete den Mund, um zu antworten: Ja natürlich. Deshalb bin ich ja hier. Ich habe die Weisung… Doch ihre Kehle blieb zum Sprechen zu eng. Es war zu spät: Hashi Lebwohl und Sicherheitschef Mandich brauchten zu lang. Ohne Beweismaterial mußte alles, was sie zu enthüllen hatte, Igensards Anschuldigungen um so plausibler erscheinen lassen.
Unvermittelt senkte Cleatus Fane eine Hand auf Koinas Arm, erregte ihre Aufmerksamkeit. Diesmal redete er mit normaler Lautstärke.
»Sie müssen sich dem nicht aussetzen«, sagte er zu ihr. »Ich beantworte seine Fragen. Ersparen Sie uns die Belastung, die Sache in die Länge zu ziehen. Die VMK hat sowieso die Verantwortung für die VMKP. Ich müßte noch einmal zu allem Stellung nehmen, wenn Sie fertig sind.«
Seine Worte verrieten absolute Selbstsicherheit und hatten den Klang des unwiderleglich Überzeugenden. Sein Gesicht jedoch widersprach dem Ton. Anstatt sie anzublicken, huschten seine Augen durch den Saal, als hielte er nach Gegnern Ausschau. Seine Wangen hatten an Farbe verloren, als wäre ihm das Blut grau geworden. Er hielt den Kopf leicht zu der Seite geneigt, an der er im Ohr den Ohrhörer stecken hatte. Konzentriert verkniff er den Mundwinkel.
»Direktorin«, sprach eine ihrer zwei Kommunikationsexpertinnen Koina leise an, ehe sie Fane eine Antwort geben konnte, und reichte ihr ein kleines Bildgerät. Offenbar wollte die Frau es wegen der Gefahr des Gehörtwerdens vermeiden, Koina mündlich zu informieren. Sie deutete auf die sichtbare Textseite.
Ohne überlegen zu müssen, nahm Koina das Gerät so zur Hand, daß Fane den Bildschirm nicht sah. Angestrengt zwinkerte sie, um ihre Augen der kleinen Darstellung anzupassen, und las den Text.
Die Mitteilung kam aus der VMKP-HQ-Stationszentrale.
Sie meldete die Rückkunft der Rächer.
Der Polizeikreuzer war unweit des VMKP-HQ und der Stiller Horizont in die Tard zurückgestürzt.
Das Kommando an Bord führte Leutnantin Morn Hyland.
Das Kommando…?
Ferner ging aus der Nachricht hervor, daß Hashi Lebwohl die in Warden Dios’ Abwesenheit wahrgenommene Funktion des befehlshabenden Direktors an Min Donner, die sich noch auf der Rächer befand, abgetreten hatte.
Durch die befehlshabende Direktorin Donner war das Abschalten der ausgedehnten Scanningsysteme der Erde angeordnet worden.
Morn Hyland führte das Kommando…?
Für Koinas Begriffe ergaben die Informationen keinerlei Sinn. Min Donner war befehlshabende Direktorin, obwohl sie sich an Bord eines Raumschiffs aufhielt, auf dem nicht sie das Kommando hatte? Und sie hatte die Scanningsysteme des Sonnensystems stillegen lassen?
Irgendwie hatte Morn Hyland… was eigentlich getan?
Koina durchschaute nicht einmal in Ansätzen, was das alles zu bedeuten haben sollte.
Dennoch erklärte es, warum Cleatus Fane dagegen war, daß sie Maxim Igensards Fragen beantwortete. Die Tatsache, daß Morn Hyland da war – und die Rächer kommandierte –, mußte Holt Fasner argen Schrecken eingejagt haben. Sie verkörperte eine Gefahr für ihn; eine viel größere Bedrohung als Koina. In Warden Dios’ Abwesenheit war Morn Hyland gefährlicher als jeder andere Mensch.
Fasner erkannte, ihm war die Kontrolle über die VMKP entrissen. Cleatus Fane wußte es von ihm.
Beiden war klar, daß sie Koina nicht trauen durften.
Und ohne die Scanningsysteme mußte die VMKGD – genau wie das VMKP-HQ – sich auf die eigenen Instrumente
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