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Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Titel: Amnion 5: Heute sterben alle Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ihr Haar, als ob sie in Schüben ihr Leben aushauchte.
    Im ersten Moment war Hashi Lebwohl völlig perplex. Er verfügte nicht über Warden Dios’ Talent, auf die Emotionen seiner Mitarbeiter einzugehen. Er duldete im Gegenteil äußerst selten, daß er davon abgelenkt wurde. Seinem ganzen Naturell nach war er mißlich darauf eingestellt – und folglich unvorbereitet –, sich mit einer Frau beschäftigen zu sollen, deren Verfassung an Katatonie grenzte.
    Er hatte keine Zeit für Lane Harbingers Verzweiflung: absolut keine Zeit. Dennoch ersah er intuitiv auf den ersten Blick, daß er, ging er nicht auf sie ein, nicht mehr mit ihr zu rechnen brauchte. Er erkannte plötzlich, daß er verloren war, gelang es ihm nicht, sich Warden Dios in vollständig unerwarteter Beziehung als ebenbürtig zu erweisen.
    »Meine liebe Lane«, erkundigte er sich halblaut, »was, um alles in der Welt, ist schiefgelaufen?«
    Sie reagierte gar nicht. Qualm drang aus ihrem Haar, als hätte man ihr das Gehirn ausgebrannt.
    Ehe Lebwohl sich entschließen konnte, wie er weiter vorgehen sollte, läutete die Sprechanlage des Labors. »Direktor Lebwohl?« fragte eine nervöse Stimme. »Direktor Lebwohl, sind Sie da? Hier ist die Stationszentrale. Direktor?« Hashi Lebwohl verkniff sich ein wüstes Schimpfwort. Zunächst fiel ihm nicht ein, wo Lane Harbingers Sprechanlage stand. Die Stimme aus der Stationszentrale schien aus einer unersichtlichen Quelle zu dringen. Aber da entsann er sich, daß die Computerkonsole, an der sie normalerweise ihre Tätigkeit verrichtete, auch die Sprechanlage umfaßte.
    Vier hektische Schritte um einen Arbeitstisch beförderten ihn zu ihrem Computerterminal. Mit einem Daumendruck schaltete er das Mikrofon ein.
    »Direktor Lebwohl«, meldete er sich im Tonfall einer gereizten Wespe. »Habe ich nicht erwähnt, daß ich beschäftigt bin?«
    »Tut mir leid, Direktor«, antwortete die nervöse Stimme augenblicklich. »Ich habe ’n Blitz für Sie. Von Direktorin Hannish. Aus der EKRK-Krisensitzung.«
    Ich weiß wo sie ist, hätte Hashi Lebwohl am liebsten geschrien. Ich bin als befehlshabender Direktor zurückgetreten, nicht wegen Unfähigkeit abgesetzt worden. Doch er bewahrte Beherrschung. Schon aus Zeitgründen durfte er es sich nicht erlauben, seinem Zorn freien Lauf zu lassen. »Dann verraten Sie mir am besten«, fauchte er gedehnt, »was die Mitteilung besagt.«
    »Jawohl, Direktor.« Hashi hörte Tasten klappern. »Mitteilung von Direktorin Hannish an Direktor Lebwohl«, gab die Stationszentrale durch. »›Die Zeit drängt.‹ Sonst nichts. Sollen wir antworten, Direktor?«
    Hashi Lebwohl fuchtelte mit den Armen. Die Drangsal in seinem Blut verlangte ein Ventil. Doch er hätte es schlichtweg nicht rechtfertigen können, seinen Verdruß an einem einfachen Kommunikationstechniker auszutoben – oder an Koina Hannish.
    »Übermitteln Sie Direktorin Hannish«, befahl er grob, »daß ich nicht gestört werden möchte.«
    Sofort schaltete er das Mikrofon ab und wandte sich wieder Lane Harbinger zu. Hinter den Haarsträhnen sah er ein Auge glänzen. Inzwischen hatte sie die Nik aufgeraucht. Sie ließ die Kippe neben sich auf den Fußboden fallen, holte irgendwoher eine neue Nik heraus und entzündete sie mit einer kleinen Magnesiumfackel, die heiß genug brannte, um eine Feuersbrunst zu entfachen, in der die Orbitalstation verglühen könnte.
    Hashi Lebwohl unterdrückte einen leisen Seufzer. Komatös ist sie nicht, sagte er sich. Sie ist ansprechbar. Das schätzte er soweit als recht ermutigend ein.
    Spontan hob er die Hand, nahm die Brille ab, die er stets trug, um seine Augen für die Blicke der Umgebung zu verschleiern, klappte bedächtig die Bügel ein und schob sie in die Tasche des Laborkittels. Vorgetäuschte Abwesenheit aller Vorstellung war die einzige Strategie, die ihm so kurzfristig in den Sinn kam.
    »Lane, so etwas kann ich mir nicht leisten.« Er gab seiner Stimme einen bewußt kernigen, aufrichtigen Tonfall. »Ich brauche Sie. Direktorin Hannish braucht Sie. Sie haben eben ihre Anmahnung gehört. Bezüglich der Frage, wie dringend Sie benötigt werden, kann man gar nicht übertreiben. Ich habe keine Zeit, um hier den Therapeuten für eine Autistin zu spielen.«
    Zuerst befürchtete er, keine Antwort zu erhalten. Und falls sie wirklich nicht antwortete? Was sollte dann werden? Er hatte die Möglichkeit, in ihrem Computer nachzuschauen, sich ihre Aufzeichnungen und Vermerke anzusehen, zu versuchen, ihre

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