Amnion 5: Heute sterben alle Götter
vertreten, daß Nick Succorso und Sorus Chatelaine zusammenarbeiteten; das allerdings war ein Trugschluß gewesen. Succorso hatte Kapitänin Chatelaine viel zu abgrundtief gehaßt; dermaßen sogar, daß es ihm, nachdem er schon alles andere verloren gehabt hatte, gelungen war, »an Bord der Sturmvogel zu steigen«, um sie zu ermorden: eine Handlung, die solcher unauslöschlichen Rachsucht und derartigem Abscheu entsprungen sein mußte, daß es Warden Dios geradezu den Atem raubte…
In gewisser Hinsicht hatte Hashi Lebwohl – wie die Amnion – keine Ahnung von Verzweiflung.
Doch Vestabule hatte noch nicht alles erzählt. »Bei Gelegenheit des Erinnerns an Verzweiflung«, sagte er, »informiere ich Sie nun, um Ihre Effizienz bei der Einflußnahme auf die Personen an Bord der Rächer zu erhöhen, über einen zusätzlichen Sachverhalt. Kapitän Angus Thermopyle ist mir kein Unbekannter.«
Kaum hörte Warden Dios den Amnioni Kapitän Thermopyles Namen nennen, widmete er mit einem Ruck seine Aufmerksamkeit wieder Vestabule.
»In meinem früheren Leben als Mensch«, konstatierte Vestabule, »habe ich als Crewmitglied auf einem Human-Raumschiff namens Süße Träume gedient. Vielleicht wissen Sie diese Tatsache schon aus Ihren Datenarchiven.«
Bedächtig nickte Dios, während ein seltsames, neues Grausen in seinem Herzen keimte.
»Unser Frachtschiff wurde gekapert«, erklärte Vestabule, »und nach Thanatos Minor geflogen, wo der Verkauf der überlebenden Besatzungsmitglieder an die Amnion erfolgte. Ich war ein Mensch von achtundzwanzig Männern und Frauen, die die Amnion zu Experimentier- und Mutationszwecken erhielten.« Seine Stimme bebte nicht im geringsten. »Diese Tat ist von Kapitän Thermopyle begangen worden.«
Nun brauchte Warden Dios jedes Quentchen an Disziplin und Selbstbeherrschung, das er aufzubieten vermochte, um seine Reaktion zu verheimlichen. Durch brutale Gefühlsunterdrückung bewahrte er ein Pokerface und einen verschleierten Blick, während in seiner Brust eine Singularitätsgranate der Betroffenheit explodierte.
Angus Thermopyle hatte achtundzwanzig Frauen und Männer an die Amnion verschachert.
Vestabule erwähnte nicht, welche Gegenleistung Thermopyle mit soviel menschlichem Blut und Leid erkauft hatte, aber Dios konnte es sich denken.
Achtundzwanzig…
Irgendwie hatte Thermopyle es bewerkstelligt, dies Verbrechen im Verlauf der Verhöre durch Hashi Lebwohl und die Abteilung DA zu verheimlichen. Trotz der Einpflanzung von Zonenimplantaten in seinen Schädel – geistiger Vergewaltigung – waren ihm in dieser Beziehung nicht einmal Andeutungen entlockt worden: Nur auf die Fragen, die den Vernehmenden eingefallen waren, hatte er Auskünfte gegeben. Sogar im Zustand vollkommener Wehrlosigkeit hatte er genügend innere Kraft gehabt, um zumindest ein Geheimnis zu hüten. Und seitens Warden Dios’, der das Vorhandensein vermutet, allerdings die Natur des Rätsels nicht erraten hatte, war nichts getan worden, um Hashi Lebwohl zur Aufdeckung dieser Scheußlichkeit zu verhelfen.
Achtundzwanzig Menschen hatte Angus Thermopyle an die Amnion…
Und heute vermaß er sich zu der beispiellosen Unverfrorenheit zu sagen: Wir warten darauf, daß Sie wenigstens eins Ihrer Versprechen einlösen… Ich persönlich hätte gerne, daß Sie die Zusage wahrmachen, es solle mit dem mir zugefügten Verbrechen einmal Schluß sein.
Damit er als nächstes was anstellen durfte? Dabei mithelfen, die Leute von der Posaune – Morn Hyland genauso wie Davies Hyland und Vector Shaheed – an die Stiller Horizont auszuliefern, um anschließend zu verduften? Um Warden Dios, der sich soviel von ihm erhofft hatte – und von Morn Hyland –, eine Nase zu drehen?
Achtundzwanzig Frauen und Männer!
Und er wollte wieder frei werden?
Während ein Schwarzes Loch des Widerwillens an seinem Herzen zehrte, überlegte Dios, ob er überhaupt eine Alternative hatte. Immerhin ging es um Millionen von Menschenleben. Er selbst und sonst niemand hatte Angus Thermopyle ausgesucht; seine Verhaftung eingefädelt; die Unifikation geplant; sein Schicksal manipuliert. Warden Dios konnte niemandem als sich selbst die Schuld an den Geschehnissen zuweisen; oder dafür verantwortlich machen. Und er konnte von keinem Menschen verlangen, ihm die nötigen Entscheidungen abzunehmen.
»Sind diese Informationen Ihnen nützlich?« fragte Vestabule unter unregelmäßigem Gezwinker.
Allem Anschein nach hatte sich in seinem Gedächtnis mehr übers
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