Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Human-Kosmos der einzige maßgebliche Machtfaktor.«
Verdammter Kerl, ich gebe für die Verwirklichung meiner Pläne Leib und Seele hin! Mach bloß keine Zicken!
Vestabules entstellte Gesichtszüge verrieten nichts von seinem Innenleben. Das Blinzeln des einen menschlichen Auges wirkte zu vieldeutig, um interpretierbar zu sein. Die Aura, die Warden Dios in seiner IR-Sicht sah, brodelte und wallte von Farbschattierungen, denen der VMKP-Polizeipräsident nichts zu entnehmen vermochte.
»Ich weiß, es sieht nicht danach aus«, räumte Dios barsch ein. »Morn Hyland hat den Dienst quittiert. Sie erkennt meine Befehlsgewalt nicht einmal unter Kriegsrecht an. Und es ist offensichtlich, daß Kapitän Thermopyle irgendwie seine Cyborg-Programmierung abgeschüttelt hat. Aber deshalb bin ich noch lange nicht am Ende.«
»Bereitet es Ihnen keine Schwierigkeiten«, entgegnete der Amnioni tonlos, »zu behaupten, Sie seien ›im Human-Kosmos der einzige maßgebliche Machtfaktor‹, obwohl ohne weiteres erkennbar ist, daß Sie keine Macht haben? Ein so offenkundiger Gegensatz muß selbst bei Ihresgleichen Verwirrung erzeugen.« Warden Dios fluchte lautlos.
»Noch bin ich nicht am Ende«, wiederholte er hartnäckig. »Sie sind von unseren Raumschiffen umringt. Die Rächer nimmt momentan keine Befehle von mir entgegen. Aber Holt Fasners Anweisungen wird kein einziges Raumschiff ausführen. Jede Vereinbarung, die Sie mit ihm abschließen, ist nutzlos, weil er nicht garantieren kann, daß unsere Raumschiffe nicht das Feuer auf Sie eröffnen. Ich muß die Unterhaltung mit Morn Hyland fortsetzen. Auch wenn ich ihr keine Anordnungen geben kann, die Situation als solche spricht für sich und könnte sie von der Richtigkeit meines Willens überzeugen. Sie erwähnen gelegentlich, an was alles Sie sich erinnern, aber ob Sie sich noch entsinnen, was es für einen Menschen bedeutet, an etwas zu glauben, das größer und wichtiger als er selbst ist, bin ich mir nicht sicher. Morn Hyland ist keine gewöhnliche Polizistin. Sie glaubt an das, wofür Polizisten da sind. So war’s schon bei ihrer ganzen Familie, und bei ihr ist es nicht anders. Sie ist schwer geschunden und desillusioniert worden, gewiß, aber sie ist einfach nicht dazu fähig zu vergessen, daß es ihre unabdingbare Pflicht ist, das Leben Unschuldiger zu beschützen.«
Hinter seiner Fassade der Erbitterung hoffte er inbrünstig, daß er recht hatte.
»Aber selbst in dem Fall, daß sie nicht auf mich hört«, knirschte er, »bin ich Ihnen zu verschaffen imstande, was Sie wollen. Erstens kann Morn Hyland das Kommando über den Kreuzer nicht behalten, wenn Direktorin Donner und Kapitän Ubikwe sich dazu entschließen, es ihr zu entziehen. Die Besatzung wird ihnen Folge leisten. Und sowohl Min Donner wie auch Dolph Ubikwe sind mir gehorsam. Zweitens kenne ich einen weiteren Code, der auf Angus Thermopyle Einfluß ausübt. Bisher habe ich ihn nicht benutzt« – als geschähe es gegen seinen Willen, verfiel er ins Schreien –, »weil mir daran gelegen ist, so viele Angehörige unseres Volks am Leben zu erhalten, wie es geht.« Das Herzflattern griff auf Lungen und Stimme über; die Maske, so hatte es den Anschein, behinderte seine Atmung, bis er nach Luft japsen mußte. »Denn sobald ich den Konflikt zu einer Sache dessen mache, was Sie ›Entscheidungsbefugnis‹ nennen, kommt es zum Blutvergießen.«
Für den Fall, daß Vestabule den wesentlichen Punkt übersah, faßte Warden Dios ihn mit bitterem Ton in Worte. »Aber ganz gleich, wie umsichtig Donner und Ubikwe vorgehen, es könnte Davies gelingen, sich das Leben zu nehmen.«
Der Amnioni erwiderte Dios’ Blick voller Unbehagen. Durch den sonderbaren Kontrast zwischen seinem amnionischen und dem menschlichen Auge erweckte er den Eindruck, innerlich von den unversöhnlichen Gegensätzen seiner Doppelnatur zerrissen zu werden.
»Das gleiche ist möglich, falls Holt Fasner der Rächer Befehle gibt, die man an Bord zu befolgen gewillt ist«, knurrte Warden Dios. »Ich bin nicht allzu scharf darauf, dieses Risiko zu tragen. Nach meiner Auffassung gilt das auch für Sie. Wir haben eine Übereinkunft getroffen.«
Seine Stimme zitterte vor wütender Anspannung. »Ich besorge Ihnen, was Sie verlangen. Sie verhandeln mit niemandem außer mir. Schließlich sind die Amnion doch dafür berühmt, daß sie sich an Abmachungen halten.« Er verschob die Giftkapsel in seinem Mund auf eine Weise, daß der Amnioni es bemerken mußte. »Lassen
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